Commerzbank Analysen

Britisches Pfund: Brexit-Risiko

Das britische Pfund hat sich zuletzt etwas erholt, da die Wahrscheinlichkeit eines Brexits aus Sicht der Investoren abgenommen hat. Das heisst aber auch, dass das britische Pfund nur noch moderates Aufwertungspotenzial hat, falls sich die britische Bevölkerung tatsächlich für einen Verbleib in der EU entscheidet.

Das britische Pfund hatte alles andere als einen guten Start in das Jahr. Fallende Zinserwartungen (zeitweise sogar Zinssenkungsspekulationen) sowie das Risiko eines Brexits (Austritt Grossbritanniens aus der EU) haben der Währung Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres deutlich zugesetzt. Handelsgewichtet wertete das britische Pfund um fast 12 Prozent ab. Doch seit Anfang April scheint sich die Stimmung etwas gedreht zu haben. Das Pfund hat zum Teil gegenüber dem Euro, aber insbesondere gegenüber dem US-Dollar wieder Boden gutgemacht. Drei Faktoren spielten hier eine Rolle:

1. US-Dollar-Schwäche: Der US-Dollar hat in den letzten Wochen merklich abgewertet. Schuld ist die Fed, die sich zuletzt deutlich vorsichtiger hinsichtlich weiterer Zinserhöhungen gezeigt hat. Damit hat sie die am Markt herrschende Meinung eines quälend langsamen Zinserhöhungszyklus bestätigt. Ein weiterer Zinsschritt bis Ende 2017 ist gerade einmal mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 50 Prozent eingepreist.

2. Euro-Stärke: Die EZB hat zuletzt von Massnahmen abgesehen, die den Euro deutlich geschwächt hätten. Vielmehr will sie nun den Fokus vermehrt auf die heimischen Kanäle ihrer Geldpolitik (zum Beispiel den Kreditkanal) legen. Eine schwächere Währung scheint nicht mehr ihr primäres Ziel zu sein. Investoren sind daher nun versucht, die Toleranz der EZB gegenüber einer aufwertenden Währung zu testen, weswegen der Euro zuletzt fester gehandelt hat.

3. Britisches Pfund-Stärke: Das Risiko eines Brexits wurde im Wesentlichen nach der Bekanntgabe des Referendum-Datums Mitte Februar eingepreist. Und am Devisenmarkt war man sich sofort einig: Ein Brexit wäre eine klare Belastung für das Pfund. Als Hauptargument hierfür wird das hohe Leistungsbilanzdefizit des Vereinigten Königreichs genannt, dessen Finanzierung bei einer erhöhten Unsicherheit bezüglich der zukünftigen (Handels-)Beziehung Grossbritanniens und der EU in Frage gestellt würde. Folglich wurden am Optionsmarkt erhöhte Risikoprämien auf eine starke Abwärtsbewegung in den Britische Pfund-Wechselkursen zum Zeitpunkt des Referendums eingepreist (siehe Grafik 1). Auch die Pfund-Spotkurse werteten merklich ab. Doch nach der anfänglichen Panik scheinen sich die Gemüter nun wieder beruhigt zu haben. Seit Mitte April hat sich die Stimmung wieder etwas aufgehellt (um genau zu sein, seit dem Beginn der offiziellen Brexit-/Bremain-Kampagne). Es ist zwar noch immer eine erhöhte Volatilität in den Britisches Pfund-Wechselkursen eingepreist, doch diese hat zuletzt deutlich abgenommen (siehe Grafik 2). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die britische Bevölkerung tatsächlich für den Brexit entscheidet und das Pfund darauf stark abwertet, hat sich aus Marktsicht folglich verringert.

Grafik 1: Optionsmarkt sieht höheres »Absturzrisiko« im Euro/Britisches Pfund-Wechselkurs...
Grafik 2: ...doch die Wahrscheinlichkeit einer solch starken Bewegung hat sich zuletzt verringert

Wie geht es nun weiter? Auch wir gehen davon aus, dass sich die Briten letztlich für einen Verbleib in der EU entscheiden werden. Da dieses Szenario allerdings in den letzten Wochen zu einem Grossteil am Markt bereits eingepreist wurde, dürfte das britische Pfund nach dem Referendum am 23. Juni nur moderat stärker handeln. Da sich die Unsicherheit in Verbindung mit dem Brexit in der zweiten Jahreshälfte legen sollte, erwarten wir jedoch, dass die Diskussionen rund um eine Normalisierung der britischen Geldpolitik wieder aufgenommen werden. Sofern sich Konjunktur und Inflation, wie von uns erwartet, weiter verbessern, dürften Zinserhöhungsspekulationen dem Pfund daher zusätzlichen Rückenwind, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, in der zweiten Jahreshälfte verleihen.

Gegenüber dem Euro dürfte das britische Pfund hingegen vorerst seitwärts handeln. Denn da die EZB signalisiert hat, dass sie ihre Geldpolitik vorerst nicht weiter lockern werde, wird auch der Euro weiter aufwerten. Wir gehen folglich davon aus, dass sich Euro-Stärke und Britisches Pfund-Stärke in den nächsten Quartalen die Waage halten werden. Erst in 2017, wenn die Bank of England beginnt, ihre Zinsen zu erhöhen, dürfte das britische Pfund gegenüber dem Euro stärker aufwerten.