Commerzbank Analysen

Gefangen in der Trading-Range – Die Geopolitik bremst den SMI aus

Wahre Sisyphusarbeit leisten derzeit die Bullen am Schweizer Aktienmarkt. Sobald sie das SMI-Allzeithoch ins Visier nehmen, drehen die Kurse auf breiter Front nach unten. Anders als in der griechischen Mythologie könnte es für die Investoren jedoch ein Entrinnen aus diesem Dilemma geben: Die fundamentalen Daten sprechen nach wie vor für eine erfolgreiche Gipfeljagd.

Am 18. September ist es so weit: Die von der SIX Swiss Exchange im Mai angekündigte Änderung der Indexreglemente tritt in Kraft. Indem der Anteil der Schwergewichte im SMI nach und nach auf 18 Prozent gekappt wird, legt die Schweizer Börse Hand an der arg einseitigen Ausrichtung des Leitindex an. Immerhin stehen die drei grössten Mitglieder, Nestlé, Novartis und Roche, zusammen für rund 60 Prozent der Benchmark. Mit der Reform reagiert die Schweizer Börse auf die Bedürfnisse der Finanzindustrie. »Insbesondere Emittenten von Finanzprodukten und Nutzer von Indexderivaten regten einen Wechsel der Methodologie des SMI an«, schreibt die SIX in einer am 4. Mai 2017 publizierten Medienmitteilung. Die Einführung der Kappungsregel dürfte für Umschichtungen zwischen den Indexbestandteilen sorgen. Darüber hinaus könnte sie dem SMI mehr Aufmerksamkeit unter internationalen Grossinvestoren bescheren, da er nun im Einklang mit den Diversifizierungsgrenzen der ESMA-UCITS-Richtlinie steht. Infolgedessen kann der SMI auch in der Europäischen Union als Referenzindex für den Schweizer Aktienmarkt genutzt werden.

Rücksetzer nach dem 2-Jahres-Hoch
Ob die bevorstehende Kappung ausreicht, den heimischen Börsengradmesser aus der charttechnischen Bredouille zu befreien, muss sich allerdings erst noch zeigen. Seit Monaten mühen sich die 20 Blue Chips vergeblich, über die 9.000-Punkte-Marke auszubrechen. Anfang August sah es ganz danach aus, als könne ein Erfolg vermeldet werden. Mit 9.198,45 Punkten erreichte der SMI ein 2-Jahres-Hoch. Doch dann verliessen die Bullen einmal mehr die Kräfte. Innert gut drei Wochen gab der Index um mehr als 4 Prozent nach. Immerhin liess der Verkaufsdruck an der charttechnischen Unterstützung im Bereich von 8.800 Zählern nach. Damit blieb die seit Mai bestehende Trading-Range bestehen (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Wertentwicklung SMI

Hauptverantwortlich für den jüngsten SMI-Rücksetzer war nicht etwa die makroökonomische Situation in der Schweiz. Vielmehr raubte die geopolitische Grosswetterlage den Investoren die Kauflaune. Insbesondere die Nordkoreakrise hielt und hält die internationalen Kapitalmärkte in Atem. Auf die Provokationen des kommunistischen Landes in Form von wiederholten Raketentests reagierten die USA mit einer scharfen Tonart. Während die drohende Eskalation die Aktienkurse belastete, schob sie die Notierungen von sogenannten Safe Haven Assets an. Das gilt vor allem für Gold, aber auch für bestimmte Währungen wie den japanischen Yen oder den Schweizer Franken.

Konjunkturprogramm der besonderen Art
In gewisser Weise nagte der Konflikt damit an einem Kaufargument für den heimischen Aktienmarkt. Denn praktisch zeitgleich mit dem jüngsten Top beim SMI war der Euro in Relation zum Franken auf das höchste Niveau seit Anfang 2015 geklettert. Mit 1,1537 Franken notierte die Einheitswährung zwischenzeitlich um 7,7 Prozent über dem Ultimo von 2016. Zwar setzte das FX-Duo Euro/Schweizer Franken daraufhin – nicht zuletzt wegen des Säbelrasselns zwischen Nordkorea und den USA – etwas zurück. Doch der Devisenkurs bewegt sich nach wie vor auf einem relativ hohen Niveau (siehe Grafik 2). Gerade für die im Euroraum besonders präsenten Unternehmen aus dem SMI kommt die Frankenabwertung einer Art Konjunkturprogramm gleich.

Grafik 2: Euro-Franken-Wechselkurs

Schon jetzt finden die Konzerne sowohl im internationalen Geschäft als auch auf dem Heimatmarkt ein starkes wirtschaftliches Umfeld vor. In der Schweiz kann selbst ein kleiner Dämpfer bei einem der wichtigsten Indikatoren wenig an den positiven Aussichten ändern. Im August fiel das KOF Konjunkturbarometer um 3,9 auf 104,1 Punkte. Damit verharrte es jedoch deutlich über dem langfristigen Mittelwert. »Für die nähere Zukunft dürften demzufolge für die Schweizer Wirtschaft weiterhin überdurchschnittliche Wachstumsraten zu erwarten sein«, schreiben die Experten der KOF Konjunkturforschungsstelle in einer aktuellen Medienmitteilung.

Dividendenrendite als Pro-Argument
Neben dem positiven Makroumfeld sprechen die Ausschüttungen der Unternehmen für die Anlageklasse Aktien. Laut den Zahlen des Informationsdienstleisters Factset beläuft sich die Dividendenrendite für den SMI momentan auf 3,5 Prozent. Damit bewegt sich diese wichtige Kennzahl nur knapp unter dem 10-Jahres-Durchschnitt (siehe Grafik 3). Gleichzeitig hat sich die Rendite der 10-jährigen Eidgenossenschaft nach einem kurzen Intermezzo über der Nulllinie wieder im negativen Bereich eingependelt, wodurch die SMI-Dividendenrendite die laufende Verzinsung der Benchmarkanleihe um rund 360 Basispunkte übertrifft.

Grafik 3: SMI – Dividendenrendite

Trotz alledem erinnert der jüngste Verlauf beim SMI stark an Sisyphus. Unter enormen Belastungen macht sich dieser Held aus der Antike immer wieder auf den Weg zum Gipfel, nur um ein ums andere Mal kurz vor dem Ziel zurückzufallen. Anders als in der griechischen Mythologie kann es für den Leitindex ein Entrinnen aus diesem Dilemma geben. Will heissen: Der fundamentale Boden für ein Wiedersehen mit dem vor gut zehn Jahren markierten Allzeithoch bei 9.548,09 Punkten ist bereitet. Vielleicht hilft die anstehende Indexreform den 20 Large Caps dabei, zunächst wenigstens die hartnäckige Barriere bei 9.000 Punkten aus dem Weg zu räumen.