Commerzbank Analysen

US-Dollar-Schwäche – Was sind die Gründe und wie lange hält sie an?

Seit Jahresanfang schwächelt der US-Dollar. Von Argumenten zugunsten der amerikanischen Währung lässt sich der Markt momentan nicht beeindrucken. Das dürfte noch eine ganze Weile andauern. Wir rechnen vor Jahresende nicht mehr mit einer nennenswerten Erholung der US-Währung. Bis dahin ist allerdings die Aufwärtsbewegung des Euro/US-Dollar-Wechselkurses begrenzt. Denn irgendwann würde die EZB wohl mittels verbaler Interventionen dem Treiben ein Ende setzen.

Euro-Stärke oder US-Dollar-Schwäche?
Bevor wir den Ursachen auf den Grund gehen, müssen wir uns erst einmal darüber klar werden, was eigentlich passiert ist. Ist der Anstieg des Euro/US-Dollar-Wechselkurses auf die Euro-Stärke oder die US-Dollar-Schwäche zurückzuführen? Zur Zerlegung von Wechselkursen in währungsspezifische Komponenten verwenden wir die Commerzbank-Währungsindizes. Sie zeigen (Grafik 1), dass

  • der US-Dollar sich seit Jahresanfang kontinuierlich abschwächt und sich diese Bewegung seit Anfang Juli sogar beschleunigt, und
  • der Euro seit der Frankreich-Wahl im April deutlich zulegt.

Bemerkenswert ist, dass die Erwartungen zukünftiger Zentralbankpolitiken zum ersten Mal seit langem nicht der wesentliche Treiber der Wechselkurse sind. Denn an den Leitzinserwartungen hat sich seit Jahresanfang nicht viel geändert:

  • Schon nach der US-Wahl im November 2016 hatte der Markt seine Erwartungen für das US-Leitzinsniveau angehoben. Seitdem haben sie nur moderat nachgegeben (Grafik 2).
  • Für die EZB sieht es nicht viel anders aus. Der Markt erwartet seit Anfang März mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen rund 60 Prozent und 100 Prozent einen Zinsschritt bis Ende 2018 (Grafik 3). Die Markteinschätzung schwankt, aber sie weist keinen Aufwärtstrend auf, der die Euro-Stärke seit April erklären würde.

Offensichtlich geht es zum ersten Mal seit langem nicht nur um Geldpolitik. Die Suche nach anderen Faktoren fällt nicht schwer, schliesslich hat im Januar in Washington ein neuer Präsident sein Amt angetreten. Und in Frankreich wurde ein neuer Präsident gewählt. Der Devisenmarkt ist »politischer«, als viele glauben.

Grafik 1: Euro vs. US-Dollar
Grafik 2: Fed-Leitzinsen und Leitzinserwartungen
Grafik 3: Wahrscheinlichkeit einer EZB-Zinserhöhung bis Ende 2016

Trump wird zur Belastung für den US-Dollar
Nach der US-Wahl wertete der Dollar auf. »Trumpflation«, die Erwartung nachhaltig steigender Inflationsraten in den USA (aufgrund erwarteter protektionistischer Massnahmen und einer expansiven Fiskalpolitik der neuen US-Administration), war allerdings nur von kurzer Dauer. Einer US-Regierung, die mehr mit Russland-Skandalen als mit ihrer politischen Agenda beschäftigt ist, traut man solche US-Dollar-stärkenden Massnahmen nicht mehr zu. Und auch der US-Kongress enttäuschte. Die Republikaner nutzen die Mehrheit in beiden Kammern derzeit nicht. Sie sind zu sehr mit innerparteilichen Grabenkämpfen beschäftigt als mit einer Gesetzgebung, die positiv auf den US-Dollar wirken könnte.

Was bleibt, sind Faktoren, die den US-Dollar belasten:

  1. US-Präsident Trump wird in den nächsten Quartalen viele Führungspositionen in der Fed neu besetzen. Dies schürt Ängste vor einer übertrieben lockeren US-Geldpolitik, weil Trump seine Sympathie für eine solche Geldpolitik und für einen schwachen US-Dollar unverhohlen ausdrückt.
  2. Die Schuldenobergrenze der US-Bundesregierung muss Ende September wieder angepasst werden. Es besteht das Risiko, dass das zu einem Nervenkrieg wird, weil der Kongress zerstritten ist.
  3. Die USA koordinieren ihre Russland-Sanktionen nicht mehr mit der EU: Schon unter der Obama-Administration missbrauchten die USA den Status des US-Dollars als Weltleitwährung zur extraterritorialen Durchsetzung ihrer Sanktionspolitik. Das störte Europas Politiker wenig, weil es scheinbar »nur« gegen die Banken ging. Jetzt, wo die direkten politischen Interessen Europas betroffen sind, wird diese extraterritoriale Wirkung zum Thema für Europas Politiker, weil die US-Dollar-Dominanz zum Belastungsfaktor für Europas Unternehmen wird. Dieser Konflikt könnte am US-Dollar als dominierende Welthandels- und Reservewährung kratzen.

Die Fed kann den Markt nicht überzeugen...
Nicht nur allgemeine politische Faktoren, sondern auch die US-Geldpolitik könnte den Dollar in den kommenden Monaten belasten. Schliesslich ist es der Fed bisher nicht gelungen, die Markterwartungen an ihre eigene Erwartung für den zukünftigen Zinspfad heranzuführen. Nach dem Verfliegen der »Trumpflation«-Phantasie erwartet der Markt für Ende 2018 ein Leitzinsniveau unter 1,50 Prozent, während die Fed einen Leitzins von 2,25 Prozent in Aussicht stellt. Selbst mit drei Zinserhöhungen in den zurückliegenden Monaten konnte die Fed den Markt nicht davon überzeugen, dass wir den Beginn eines Zinserhöhungszyklus sehen, der seinen Namen verdient. Der Markt misstraut der Fed vor allem deshalb, weil die Inflationserwartungen seit Jahresanfang wieder gefallen sind. Hinzu kommt, dass die Kommunikation der Fed in den letzten Jahren allzu oft in die falsche Richtung wies.

Es ist daher zu befürchten, dass der Markt erst dann von einem echten Zinserhöhungszyklus überzeugt wird, wenn (a) die Inflation in den USA deutlich und nachhaltig anzieht und (b) die Fed mit aktuellen Schritten (bzw. deren unmittelbarer Ankündigung) beweist, dass sie den Zyklus fortsetzt. Das ist jedoch nicht vor dem Jahreswechsel zu erwarten.

...während die EZB nicht überzeugen muss
Während Rückenwind vom US-Dollar fehlt, dürfte der Euro von einem sich abzeichnenden Ende der Anleihenkäufe profitieren. So dürfte die EZB im Herbst ankündigen, ihre Anleihenkäufe im kommenden Jahr zu reduzieren. Das muss sie allein schon deswegen, um rechtliche Probleme zu vermeiden, die sich ergäben, wenn sie mehr als ein Drittel der Anleihen einzelner Staaten hielte. Allerdings wird sie das Ende der Anleihenkäufe als fundamental gerechtfertigt verkaufen – was ihr angesichts des recht ordentlichen Wirtschaftswachstums und der etwas gestiegenen Kerninflation zunächst gelingen sollte. Der Markt dürfte das Auslaufen der Käufe als Anfang vom Ende der ultralockeren EZB-Politik verstehen und entsprechend die gegenwärtige Euro-Stärke als gerechtfertigt ansehen.

Allerdings wird der Markt irgendwann erkennen, dass dem Einstellen der Anleihenkäufe nicht schon in 2018 höhere Leitzinsen folgen werden, weil die Inflation aus Sicht der EZB zu langsam steigen dürfte. Aber bis der Markt das erkennt, wird es noch lange dauern. Denn die anziehende Euroraum-Konjunktur und eine etwas höhere Inflation lassen die EZB-Story einer fundamental gerechtfertigten Normalisierung noch lange realistisch erscheinen.

Keine schnelle Erholung des Dollars...
Aus heutiger Sicht scheint es daher unwahrscheinlich, dass der Euro/US-Dollar-Wechselkurs noch in diesem Jahr wesentlich nachgibt. Vielmehr erwarten wir jetzt bis zur Fed-Sitzung im Dezember Wechselkurse auf ähnlich hohen Niveaus wie heute. Erst danach dürfte der Markt der Fed mehr und mehr Glauben schenken, eine rasche Leitzinserhöhung im Euroraum in Frage stellen und den Euro/US-Dollar-Wechselkurs wieder fallen lassen.

...aber auch kein Absturz
Doch heisst das, dass der Euro/US-Dollar-Wechselkurs noch viel weiter steigt? Vielleicht ein wenig, doch bald dürfte das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Die EZB dürfte eine zu starke Euro-Aufwertung, insbesondere eine hohe Aufwertungsgeschwindigkeit, als Gefahr für die Reflationierung im Euroraum ansehen. Der handelsgewichtete Euro-Index liegt bereits mehr als 4 Prozent über den Niveaus, auf denen die EZB im Mai ihre optimistische Inflationsprognose erstellte. Eine Fortsetzung der Euro-Aufwertung könnte Europas Währungshüter veranlassen, ihre Sicht zu überdenken. Ähnlich wie 2014 (als der Euro/US-Dollar-Wechselkurs auf 1,40 zu steigen drohte) und ähnlich wie die Fed 2015 (als der US-Dollar deutlich aufwertete) könnte sie in einem solchen Fall erläutern, dass ihre Erwartung einer graduellen Normalisierung von der Annahme eines nicht weiter signifikant aufwertenden Euros abhängt. Das dürfte als verbale Intervention verstanden werden, die das Aufwärtspotenzial für den Euro/US-Dollar-Wechselkurs begrenzen dürfte. Jedermann weiss, dass Europas Währungshüter niemals so deutlich die Eurokurse schwach reden könnten wie ihre Kollegen in Schweden, Australien und in der Schweiz. Die EZB hält sich an den London-Akkord der G7 (keine Manipulation der Wechselkurse). Dennoch – und gerade deshalb – reagiert der Devisenmarkt auch auf verhaltene Andeutungen der EZB.

Somit dürfte die EZB die Aufwärtsbewegung des Euro/US-Dollar-Wechselkurses begrenzen. Gelingen wird ihr das, wenn die politischen US-Dollar-Risiken sich nicht materialisieren. Und genau das erwarten wir:

  1. Unsere US-Ökonomen argumentieren, dass ein taubenhafter Nachfolger von Fed-Chefin Janet Yellen es schwierig hätte, die Klippe der Nominierung durch den Senat zu umschiffen. Um eine Niederlage im Senat zu vermeiden, dürfte Trump daher entweder Yellen selbst erneut nominieren oder einen »konventionellen« Kandidaten vorschlagen, der die falkenhaften Republikaner im Senat zufriedenstellt. Mit einem signifikanten Bruch der Fed-Politk rechnen wir nicht.
  2. Unsere US-Ökonomen sind sich ferner sicher, dass auch diesmal die politische Hürde der Schuldenobergrenze am Ende wieder vom US-Kongress gemeistert wird und die politischen Überlebensinstinkte gegenüber ideologischen Grabenkämpfen dominieren.
  3. Und die Russland-Sanktionen sind ein Sonderfall, der nicht als Blaupause für grundsätzlich unkoordinierte US-Sanktionspolitik taugt. Die Tatsache, dass der Verdacht einer illegalen Zusammenarbeit Trumps mit Russland im Raum steht, restringiert die Russlandpolitik der US-Administration massiv. Während Vorgängerregierungen die Versuche des Kongresses, ihnen eine Restriktionspolitik zu diktieren, abwehren konnten, kann diese Regierung das im Fall Russlands nicht. Denn ihre Glaubwürdigkeit auf dem Feld der Russlandpolitik ist auch in den Augen des Kongresses erschüttert. In der Folge liegt dem US-Präsidenten nun ein Gesetz zur Unterschrift vor, welches Restriktionen beinhaltet, die nicht mit den Verbündeten der USA koordiniert wurden. In anderen Fällen (Nord-Korea, Iran) ist die Situation anders. Und allgemein scheint die Aussenpolitik der Trump-Administration eher isolationistisch ausgerichtet zu sein. Sanktionen dürften die Ausnahme bleiben.

Wir halten daher weiterhin an unserer Sicht fest, dass der Euro/US-Dollar-Wechselkurs auf mittlere Sicht Rückschlagpotenzial besitzt. Wer darauf setzen will, muss aber – so sieht es momentan aus – deutlich mehr Geduld mitbringen, als wir uns das noch vor kurzem vorstellen konnten.

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Ein Überblick über das gesamte Spektrum an Warrants und Zertifikaten steht Ihnen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.

Faktor-Zertifikate, SIX-kotiert, auf Wechselkurse

Symbol

Basiswert

Strategie

Faktor (Hebel)

Laufzeit

Geld-/Briefkurs

UC5 LCB

USD/CHF

Long

5

Open End

18,35/18,65 CHF

UC5 SCB

USD/CHF

Short

–5

Open End

29,20/29,70 CHF

UC0 LCB

USD/CHF

Long

10

Open End

11,55/11,95 CHF

UC0 SCB

USD/CHF

Short

–10

Open End

29,25/30,20 CHF

EU5 LCB

EUR/USD

Long

5

Open End

38,85/39,25 CHF

EU5 SCB

EUR/USD

Short

–5

Open End

13,05/13,25 CHF

EU0 LCB

EUR/USD

Long

10

Open End

54,30/55,45 CHF

EU0 SCB

EUR/USD

Short

–10

Open End

6,17/6,29 CHF

Stand: 28. August 2017; Quelle: Commerzbank

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.