Commerzbank Analysen

Die Gesundheitsindustrie strotzt vor Innovationskraft

Die Zukunft hat begonnen: Die Health-Care-Branche setzt bei erkrankten Organen immer häufiger auf die körpereigenen Selbstheilungskräfte. Um den Anschluss nicht zu verlieren, gehen Pharmakonzerne zunehmend Partnerschaften mit Biotech-Firmen ein oder kaufen diese sogar auf. Am Kapitalmarkt kommen die aktuellen Entwicklungen gut an, der Sektor strebte zuletzt nach oben.

Für einen Paukenschlag in der Pharmaindustrie sorgte Novartis Ende August. Die Europäische Kommission gab grünes Licht für das neuartige Therapieverfahren Kymriah, ein gentherapeutisches Verfahren zur Behandlung leukämiekranker Kinder. Bereits vor einem Jahr schrieben die Basler diesbezüglich Geschichte: Kymriah war die erste Gentherapie, die eine Zulassung von der amerikanischen FDA bekam. Für Konzernchef Joseph Jimenez ein »historischer Augenblick im Kampf gegen Krebserkrankungen«.

Hoffnungsträger des 21. Jahrhunderts
Diese neue Form der Krebsbekämpfung läutet tatsächlich eine neue Ära in der Gesundheitsindustrie ein. Denn nun geht es darum, die körpereigenen Kräfte zu nutzen, um Erkrankungen zu behandeln und zu heilen. In der Fachwelt wird diesbezüglich auch von Regenerativer Medizin gesprochen. »Innerhalb der Biomedizin gehört die Regenerative Medizin zu den Gebieten mit der stärksten Entwicklungsdynamik«, betont das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wie dynamisch der Markt wächst, zeigt eine Prognose der Unternehmensberatung Roland Berger. Die Experten gehen davon aus, dass bereits 2020 weltweit 31 Milliarden Dollar damit umgesetzt werden, mehr als doppelt so viel im Vergleich zu 2017. In den Jahren danach dürfte das Wachstumstempo hoch bleiben. Die Experten erwarten zwischen 2020 und 2025 durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von einem Drittel.

Nach Einschätzung von Roland Berger werden die innovativen Therapien die Gesundheitsbranche stark verändern. »Diese Entwicklung zwingt die Pharmaindustrie, ihre gesamte Organisation unter die Lupe zu nehmen«, so die Studie. Ebenso wie Novartis haben auch andere Pharmakonzerne die Zeichen der Zeit bereits erkannt, beispielsweise Sanofi. Die Franzosen arbeiten derzeit an zehn neuen Krebsmedikamenten. Bis dato hat es jedoch erst eine davon, die Immuntherapie Cemiplimab gegen eine bösartige Hautkrebsart, zum Zulassungsprozess in den USA und der Europäischen Union geschafft. Sanofi-Entwicklungschef Jorge Insuasty gibt sich trotz allem kämpferisch: »Wir haben den Immunologie-Zug in den vergangenen Jahren verpasst, aber wir sind fest entschlossen, aufzuholen.«

Grafik 1: Weltweiter Umsatz mit Regenerativer Medizin

Gefragter Biotech-Sektor
Im Bereich personalisierter Medikamente stehen chimäre Antigenrezeptoren auf T-Zellen, kurz »CAR-T«, derzeit ganz oben auf der Forschungsliste. Dabei werden dem Patienten T-Zellen entnommen, genetisch umprogrammiert und anschliessend wieder injiziert. »CAR-T-Therapien stellen die neuesten Therapien bei der Krebsbehandlung dar und verändern das Behandlungsparadigma von bis dato schwer zu behandelnden Krebserkrankungen«, erklärt Barbara Gilmore von der Marktforschungsgesellschaft Frost & Sullivan.

Besonders eifrig zeigen sich auf diesem Gebiet die Biotech-Unternehmen. So übernahm Gilead Sciences im vergangenen Herbst die auf CAR-T-Therapien spezialisierte Kite Pharma für 12 Milliarden Dollar. Kurz darauf bekam Kite – als weltweit zweites Unternehmen nach Novartis – eine Zulassung von der FDA. Yescarta wird für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen eingesetzt. Auch in Europa könnte es bald so weit sein. Der Humanarzneimittelausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat die Marktzulassungen für das Gentherapeutika bereits befürwortet. Aber nicht nur Gilead ist auf diesem Gebiet tätig. Im Januar dieses Jahres leibte sich Konkurrent Celgene für rund 9 Milliarden Dollar den CAR-T-Spezialisten Juno ein. »Juno, Gilead und Novartis eifern um die ›Best in Class‹-Position«, konstatiert Gesundheitsexpertin Gilmore. Aber auch eine Reihe weiterer Grosskonzerne wie Amgen, AstraZeneca oder Pfizer engagieren sich in der neuen Gentherapie. Die Marktforschungsgesellschaft Frost & Sullivan geht davon aus, dass das Segment der adoptiven T-Zell-Therapien für die Immunonkologie bis zum Jahr 2022 bereits ein Volumen von 3,9 Milliarden US-Dollar aufweisen wird.

Unangefochtener Marktführer
Im Vergleich zum rund 100 Milliarden Dollar schweren Gesamtmarkt für Krebsmedikamente führt CAR-T trotz allen Lobes noch ein Nischendasein. Die unangefochtene Nummer eins in der Onkologie ist nach wie vor Roche. Mehr als 26 Milliarden US-Dollar setzte der heimische Pharmariese im vergangenen Jahr auf diesem Gebiet um – ein Plus von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und mehr als doppelt so viel wie die Nummer zwei Novartis. Auch im laufenden Jahr zeigt sich eine hohe Nachfrage nach den Roche-Medikamenten. Zum Halbjahr verzeichnete der Konzern einen Umsatzanstieg um 7 Prozent auf 28,1 Milliarden Franken, der Gewinn kletterte gar um 35 Prozent auf 7,5 Milliarden Franken empor. Dies veranlasste Konzernchef Severin Schwan, die Erlösprognose für das Gesamtjahr anzuheben.

Zugleich blickt er auch optimistisch in die ferne Zukunft: »Das Wachstum unseres Geschäfts wird über das laufende Jahr hinaus anhalten.« Positiv stimmen unter anderem die jüngsten Studienerfolge des Grippemittels Baloxavir Marboxil. Die Zürcher Kantonalbank räumt der Arznei bei Erfolg ein jährliches Umsatzpotenzial von rund 1 Milliarde Franken ein. Aber auch in der Immuntherapie kann sich Roche Hoffnungen machen. Das Krebsmittel Tecentriq erwies sich in einem spätklinischen Test der Phase III zur Behandlung einer speziellen Form von Lungenkrebs in Kombination mit einer Chemotherapie als wirksam.

Grafik 2: Die Top-10-Hersteller von Krebsmedikamenten

Der Kapitalmarkt klatscht Beifall
An der Börse zählt der Gesundheitssektor im laufenden Jahr zu den Topbranchen. Mit einem Plus von knapp 8 Prozent seit Jahresbeginn liegt der STOXX Europe 600 Health Care-Index deutlich vor den grossen Leitindizes wie dem SMI oder EURO STOXX 50. Die beiden Benchmarks befinden sich seit Silvester sogar noch in den Miesen. Auch langfristig gibt das Branchenbarometer eine gute Figur ab: Im Vergleich zum STOXX Europe 600 entwickelte sich der Gesundheitsindex mit einem Plus von 61 Prozent rund 7 Prozentpunkte besser als der Gesamtmarkt.

Während der STOXX Europe 600 Health Care-Index erst kurz vor seinem Allzeithoch steht, ist AstraZeneca kürzlich bereits eine neue Bestmarke gelungen. Der Pharmakonzern kämpft auf operativer Ebene zwar mit wachsender Generika-Konkurrenz seines Cholesterinsenkers Crestor, dem nach wie vor wichtigsten Produkt des Unternehmens. Allerdings trumpfen die Briten im Geschäft mit neuen Krebsmedikamenten auf. Vorstandschef Pascal Soriot gab sich zum Halbjahr daher zuversichtlich, dass AstraZeneca im laufenden Jahr wieder auf den Wachstumskurs zurückkehren kann. Zum Hintergrund: In den vergangenen Jahren brachen die Erlöse aufgrund des Verlusts wichtiger Patente um mehr als die Hälfte ein. Für die Wende sorgen sollen nun unter anderem die neuen Krebsmittel Tagrisso, Lynparza und Imfinzi.

Ein aufstrebender Akteur in der Onkologie ist zudem die deutsche Firma Merck. 2017 brachte das Unternehmen mit der Krebsimmuntherapie Bavencio erstmals seit einer langen Durststrecke von neun Jahren wieder eine neue Arznei auf den Markt. Und die Pipeline ist gut gefüllt. Auf der diesjährigen ASCO, der weltgrössten Krebskonferenz, präsentierte Merck Daten zu sieben Wirkstoffen. Auch im Bereich der CAR-T-Therapien sind die Darmstädter tätig. Dabei kooperieren sie mit den beiden US-Biotech-Schmieden Intrexon und Ziopharm. Merck ist allerdings kein »Pure Player« im Gesundheitsbereich, das Unternehmen verfügt auch über einen Spezialchemie-Arm, der unter anderem Flüssigkristalle für Flachbildschirme anbietet. Da dieses Segment derzeit hart umkämpft ist, zeigten sich in der Umsatz- und Gewinnentwicklung des Konzerns zuletzt Bremsspuren. Die Konzentration auf Produkte für die Chipindustrie soll die Sparte, die rund 16 Prozent zu den Gesamterlösen des Unternehmens beiträgt, aber wieder voranbringen.

Die Innovationskraft in der Gesundheitsindustrie ist derzeit klar im Aufwind. Einige Experten glauben sogar, dass die Branche angesichts neuer Behandlungsformen und Medikamente in ein neues Zeitalter startet. Das Potenzial, das sich daraus ergibt, macht den Health-Care-Sektor zu einem spannenden Investmentthema.

Grafik 3: STOXX Europe 600 Health Care-Index versus STOXX Europe 600-Index

Anlageidee: ETF auf den STOXX Europe 600 Health Care-Index

Mit dem ComStage STOXX Europe 600 Health Care UCITS ETF lässt sich breit diversifiziert und kostengünstig in den Sektor investieren. Das Produkt kommt mit einer jährlichen Gebühr von 0,25 Prozent aus. In dem Index befinden sich insgesamt 52 Mitglieder. Aus regionaler Sicht geben Schweizer Konzerne mit einem Anteil von knapp einem Drittel den Ton an. Auf Rang zwei und drei folgen Gesundheitsunternehmen aus Grossbritannien (22,3 Prozent) und Deutschland (14,6 Prozent). Die Top-3-Aktien sind Novartis, Roche und Bayer.

ComStage UCITS ETF auf

Valor

Pauschalgebühr p.a.

Ertragsverwendung

Geld/Briefkurs

STOXX Europe 600 Health Care

4561515

0,25 %

Ausschüttend

147,76/147,98 CHF

Stand: 29. August 2018; Quelle: Commerzbank AG

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.

Anlageidee: Ausgewählte Produkte

Unlimited Turbo-Zertifikate

Valor

Basiswert

Typ

Stoppschwelle

Handelsplatz

37652158

AstraZeneca

Bull

42,65 GBP

Swiss DOTS

36038696

AstraZeneca

Bear

66,54 GBP

Swiss DOTS

42472252

Novartis

Bull

74,91 CHF

Swiss DOTS

28800826

Novartis

Bear

90,77 CHF

Swiss DOTS

33920453

Roche

Bull

198,94 CHF

Swiss DOTS

33304715

Roche

Bear

277,93 CHF

Swiss DOTS

42127162

Sanofi

Bull

64,83 EUR

Swiss DOTS

34324406

Sanofi

Bear

87,13 EUR

Swiss DOTS

Faktor-Zertifikate

Valor

Basiswert

Strategie

Faktor

Handelsplatz

33365161

Merck

Long

5

SIX Exchange

33365192

Merck

Short

–5

SIX Exchange

33857436

Novartis

Long

10

Swiss DOTS

33278445

Novartis

Short

–3

SIX Exchange

33857478

Roche

Long

6

Swiss DOTS

33857494

Roche

Short

–6

Swiss DOTS

34417209

Sanofi

Long

4

Swiss DOTS

34417278

Sanofi

Short

–4

Swiss DOTS

Stand: 29. August 2018; Quelle: Commerzbank AG

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.