Editorial

Durchschnittlich ist grossartig, aber wer traut sich, anders zu handeln?

In den letzten zwölf Monaten bin ich ein begeisterter Podcast-Hörer geworden, im Zug, im Auto und wann immer ich eigentlich nachts schlafen sollte. Vor kurzem stiess ich nun auf einen wirklich fantastischen Podcast namens »The Knowledge Project«, wo sie den Investor Howard Marks zum Thema Risiko, Investitionen und Denken interviewten. Was hierbei meine Aufmerksamkeit wirklich fesselte, war seine Definition des Denkens auf der ersten und zweiten Ebene. Um dies besser zu verstehen, sollten wir uns seine Sichtweise auf das Risiko kurz anschauen.

Investoren sehen Risiko in der Regel als die Wahrscheinlichkeit schlechter Ergebnisse, das heisst Verluste. Risiko ist jedoch doppeldeutig zu verstehen: Es besteht das Risiko von Verlusten, aber man sollte auch das Risiko von verpassten Chancen bedenken. Laut dem leider verstorbenen Wirtschaftsphilosophen Peter Bernstein besteht ein Risiko, weil die Zukunft zwar eine Reihe von Möglichkeiten bietet, aber mehr Dinge passieren könnten, als tatsächlich geschehen werden. Es ist deshalb nicht immer klar, wie wir im Risikobereich handeln sollten. Manchmal haben wir keine Ahnung, was passieren könnte, manchmal wissen wir es und oft denken wir nur, dass wir es wissen. Hier setzt der Begriff des oben erwähnten Denkens auf der ersten und zweiten Ebene an. Das Denken auf der ersten Ebene basiert in gewisser Weise auf der Idee, dass die Märkte autark sind, ähnlich dem Begriff der »Weisheit der Vielen«, der besagt, dass Gruppen schlauer sind als Einzelne. Die Idee dahinter ist, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen recht nahe an der Wahrheit liegt und dadurch die Ansätze Einzelner übertrifft. Wenn Sie als Investor aber wie alle anderen denken, werden Sie auch die gleichen Massnahmen ergreifen wie alle anderen und daher nicht zu überdurchschnittlichen Ergebnissen kommen. Das hört sich jetzt zwar negativ an, ist aber in vielen Fällen keine schlechte Sache. Diese Art von Denken liegt zum Beispiel ETFs zugrunde, die ja in der Vergangenheit gezeigt haben, dass passive Anlagen langfristig dazu neigen, aktive Anlagestile zu übertreffen. Natürlich unterstützen auch wir diesen Gedanken als grosser Anbieter von ComStage ETFs in der Schweiz.

Nun zum Denker auf der zweiten Ebene: Dessen Ziel ist es, ein überdurchschnittlicher Investor zu sein, und daher versucht er, anders zu denken als die Mehrheit. Er muss Dinge erkennen können, die andere nicht sehen. Dazu braucht er Zeit, Informationen und die Fähigkeit, die verfügbaren Informationen zu überprüfen. Er muss in der Lage sein, den Markt zu hinterfragen, und es wagen, anders zu handeln. Zum Beispiel sagt der Denker der ersten Ebene: »Das ist ein tolles Unternehmen, wir sollten die Aktie kaufen.« Der Denker der zweiten Ebene sagt: »Es ist ein grossartiges Unternehmen, aber es ist nicht so gut, wie alle sagen. Der Wert des Unternehmens spiegelt sich bereits im Aktienkurs wider.« Im Wesentlichen heisst dies: Wenn der Durchschnitt für Sie nicht gut genug ist, sind Sie dann vorbereitet, anders zu handeln?

Und hier sehen wir unsere Aufgabe als Commerzbank: Wir möchten sowohl denjenigen Investoren, welche die Sichtweise der Mehrheit auf den aktuellen Stand der Dinge erfahren möchten, alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen, als auch den Investoren, die es wagen wollen, anders zu handeln, zusätzliche Einblicke geben, damit sie die Ansicht der Mehrheit hinterfragen können. Wir meinen, dass beide Investoren-Typen wieder genügend Informationen zu Anlageideen in diesem Heft finden werden, und hoffen, dass Ihnen diese ideas-Ausgabe gefallen wird.