Commerzbank Analysen

Die neue Politisierung der Devisenmärkte

Wechselkurse werden zum Instrument der Politik. Ursache ist – neben den Spezifika der handelnden Akteure – auch die Tatsache, dass Zentralbanken an die Grenzen ihrer expansiven Möglichkeiten gekommen sind. Freilich gilt auch: Ohne die ordnungspolitische Autorität der USA dürfte der Konsens, nach dem Wechselkurse dem Markt zu überlassen sind, weiter zerbröseln.

Warum Wechselkurse wieder zum Politikum wurden
Aktive Steuerung der Wechselkurse durch die Politik war in den Jahrzehnten nach Ende des Bretton-Woods-Systems die Regel, entweder

  • in Form von Wechselkurs-Arrangements (»Schlange«, »Schlange im Tunnel«, EWS I, EWS II etc.) oder
  • in Form multilateraler Verabredungen zur Wechselkurs-Steuerung (»Louvre-Akkord«, »Plaza-Akkord« etc.) oder
  • als unilaterale Eingriffe von Zentralbanken bzw. Finanzministerien in den Devisenmarkt (zum Beispiel die MOF-Interventionen in den Neunziger- und frühen Zweitausenderjahren).

Ihr Sinn bestand darin, Wechselkursschwankungen zu begrenzen. Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems hatten die Schwankungen von Wechselkursen stärker als erwartet zugenommen. Theorie und Politik waren überrascht, dass Wechselkurse weitaus stärker schwankten, als graduelle Änderungen der Fundamentaldaten das nahelegten. Die ökonomische Theorie konnte diesen Effekt rasch erklären (»Überschiessen«, Dornbusch 1976), doch half das wenig. Dass Wechselkurse stärker schwanken, als Fundamentalfaktoren das nahelegen, wurde als Gefahr für Aussenhandel und grenzüberschreitende Investitionen empfunden. Die Politik fühlte sich in der Pflicht, einzugreifen.

Das Problem dieser Eingriffe war nur: Sie machten Wechselkursschwankungen nicht erträglicher.

  • Der Louvre-Akkord hatte zum Beispiel so durchschlagende Wirkung, dass er mit dem Plaza-Akkord wieder korrigiert werden musste; die Wechselkurspolitik der beteiligten Regierungen wurde zu einem Hü-und-Hott-Spiel, das mehr Planungsunsicherheit erzeugte als beseitigte.
  • Die Wechselkursarrangements litten unter spekulativen Attacken, die erst recht massive Wechselkurssprünge erzeugten (zum Beispiel der »Schwarze Mittwoch« 1992).
  • Unilaterale Interventionen wurden zunehmend wirkungslos.

Unter den grossen Industrienationen reifte die Erkenntnis, dass Wechselkurse entweder unumkehrbar zu fixieren seien (wie im Euro-Währungsraum) oder komplett den Marktkräften überlassen werden sollten. Aussenhändler und Investoren lernten, mit der Schwankungsintensität von Wechselkursen umzugehen. Welthandel und grenzüberschreitende Kapitalströme nahmen auch bei schwankenden Kursen zu.

Und die konjunkturellen Folgen von Wechselkursschwankungen konnten mit Mitteln der Geldpolitik eingedämmt werden. Sie wurden so erträglich. Das funktionierte freilich nur so lange, wie jede Zentralbank hinreichenden Handlungsspielraum besass. Das ist heute nicht mehr der Fall. In den Jahren seit der Grossen Rezession 2008/2009 haben viele Zentralbanken ihre Leitzinsen auf oder nahe an die ökonomisch machbare Untergrenze reduziert. Der konjunkturelle Effekt der Stärke der eigenen Währung kann nicht mehr durch entsprechend lockere Geldpolitik kompensiert werden, weil einer Lockerung der Geldpolitik enge Grenzen gesetzt sind. Damit werden Wechselkurse wieder relevanter und rücken – aus ökonomischen Gründen, ganz unabhängig vom handelnden politischen Personal – wieder mehr in den politischen Fokus.

So ist es halt in der politischen Realität. Nicht obwohl, sondern weil Geldpolitik nicht mehr Wechselkurseffekte wegbügelt, neidet jeder dem anderen die kleinste Zuckung der Geldpolitik und den damit verbundenen Wechselkurseffekt. Die Form, mit der US-Präsident Donald Trump taubenhafte EZB-Äusserungen kommentierte, mag ungewöhnlich und dem Naturell des »stabilen Genies« geschuldet sein. Die Tatsache, dass die US-Regierung die Verlautbarungen der EZB kommentiert, hat freilich ökonomische Ursachen: Die Tatsache, dass die Fed nur begrenztes Potenzial hat, mit lockerer Zinspolitik einer US-Dollar-Stärke entgegenzutreten, macht jede US-Dollar-Aufwertung schmerzhaft.

Wechselkurspolitik als konjunkturelles Kampfmittel
Weil die Zielrichtung nicht mehr die Eindämmung exzessiver Wechselkursschwankungen ist, sondern die konjunkturelle Wirkung (die nun einmal definitionsgemäss in den jeweiligen Volkswirtschaften umgekehrt ist), ist nun – im Gegensatz zu den Achtzigerjahren – eine einvernehmliche Wechselkurspolitik nicht mehr möglich. Stimmen, die von einem Wiederaufleben alter, multilateraler Wechselkursarrangements träumen, verkennen dieses Faktum. Eine Wechselkurspolitik, die auf heimische konjunkturelle Wirkungen zielt, ist stets eine Politik zulasten anderer und daher stets konfliktär. Nicht die Achtzigerjahre sind dafür der »model case«, sondern die Abwertungswettläufe der Dreissigerjahre.

Der Ausfall der USA als ordnungspolitische Autorität wirkt schwer
Viele Zentralbanken sind schon seit vielen Jahren an der Grenze ihrer expansiven Möglichkeiten. Dennoch hielt der Konsens lange an, nach dem Wechselkurse den Marktkräften überlassen werden sollen. Chinas Wechselkurspolitik wurde in diesem Zeitraum sogar eher marktorientierter. Dieser Konsens zerbröselt allerdings, seit die jetzige US-Regierung im Amt ist. Ihr wird nicht mehr zugetraut, uneingeschränkt zu marktbasierten Wechselkursen zu stehen. Ihr wird – falls sie es schafft, formale Hürden aus dem Weg zu räumen – allseits zugetraut, selbst vor Interventionen am Devisenmarkt nicht zurückzuschrecken.

Natürlich ist es wichtig, die Wahrscheinlichkeit dafür zu diskutieren, ob die US-Regierung diese Hürden ausräumen kann. Wir sind, wie regelmässige Leser wissen, skeptisch. Dem US-Finanzministerium dürfte es schwerfallen, ohne Unterstützung der Fed zu intervenieren; und die Fed dürfte dem ablehnend gegenüberstehen. Doch ist diese Frage eigentlich zweitrangig. Ohne die ordnungspolitische Autorität der USA dürfte die Disziplin zu marktbestimmten Wechselkursen weiter zerbröseln – egal, ob die USA selbst intervenieren oder nicht.

Und letztendlich wird in den USA der Druck zu Interventionen immer grösser, je mehr andere Volkswirtschaften die Wechselkurse als politisches Instrument missbrauchen.

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Faktor-Zertifikate auf Wechselkurse, SIX-kotiert

Symbol

Basiswert

Strategie

Faktor

Laufzeit

Briefkurs

EC5SCB

EUR/CHF

Short

–5

Open End

18,97 CHF

EC0LCB

EUR/CHF

Long

10

Open End

20,96 CHF

EC5LCB

EUR/CHF

Long

5

Open End

24,71 CHF

EC0SCB

EUR/CHF

Short

–10

Open End

12,79 CHF

EU5SCB

EUR/USD

Short

–5

Open End

22,84 CHF

EU0SCB

EUR/USD

Short

–10

Open End

14,41 CHF

EU0LCB

EUR/USD

Long

10

Open End

10,71 CHF

EU5LCB

EUR/USD

Long

5

Open End

19,57 CHF

UC0LCB

USD/CHF

Long

10

Open End

17,15 CHF

UC5SCB

USD/CHF

Short

–5

Open End

15,25 CHF

UC5LCB

USD/CHF

Long

5

Open End

25,07 CHF

UC0SCB

USD/CHF

Short

–10

Open End

6,53 CHF

Stand: 2. September 2019; Quelle: Commerzbank AG

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.