Commerzbank Analysen

Spannender Zweikampf über den Wolken

Seit Jahren laufen die Aktien der beiden weltgrössten Flugzeughersteller dem breiten Markt auf und davon. Das strukturelle Wachstum des Luftverkehrs beschert Airbus und Boeing prall gefüllte Auftragsbücher. Allerdings sind die beiden Branchengiganten nicht frei von Sorgen. Während die Unglücksmaschine 737 Max Boeing vor immense Herausforderungen stellt, hat Airbus mit US-Strafzöllen und dem nach wie vor offenen Brexit zu kämpfen.

Es ist eine gigantische Strecke: 49 Passagiere starteten am 18. Oktober 2019 an Bord einer Boeing 787-9 von New York in Richtung Sydney. Innerhalb von 19 Stunden und 16 Minuten überquerten sie die USA und den Pazifik, um sicher in Down Under zu landen. Mit dieser rund 16.000 Kilometer langen Strecke gelang der australischen Airline Quantas ein historischer Rekord: Niemals zuvor hatte ein Passagierflugzeug eine solche Distanz ohne Zwischenstopp zurückgelegt. Allerdings wendete der Carrier einen Trick an: Die Maschine war nicht voll besetzt. Eigentlich bietet der auch als »Dreamliner« bezeichnete Jet 296 Menschen Platz. Voll beladen kann er jedoch maximal knapp 14.000 Kilometer absolvieren.

Branchenkrösus in Turbulenzen
Für Boeing dürfte die Meldung vom geglückten Rekordflug dennoch eine willkommene Abwechslung in einer von negativen Neuigkeiten geprägten Zeit gewesen sein. Dem grössten Flugzeugbauer der Welt machen seit Monaten die Probleme in seiner wichtigsten Baureihe zu schaffen. Bekanntlich kamen bei zwei Abstürzen der 737 Max in Indonesien und Äthiopien insgesamt 346 Menschen ums Leben. Seit März darf die Maschine nicht mehr starten. Im Mittelpunkt der Ermittlungen zu den Unglücksursachen steht das Kontrollsystem MCAS. Es führt zum automatischen Absenken der Flugzeugnase bei einem Strömungsabriss.

Nicht nur der Imageschaden für den Branchenkrösus ist enorm. Das Debakel schlägt voll auf die Zahlen durch. Im Kerngeschäft brach der operative Gewinn im dritten Quartal 2019 um mehr als die Hälfte auf 895 Millionen US-Dollar ein. Gleichzeitig verbuchte Boeing einen negativen freien Cashflow von knapp 2,9 Milliarden US-Dollar. Im dritten Quartal 2018 hatte der Konzern seine Kasse noch mit 4,1 Milliarden US-Dollar aufgefüllt.

CEO Dennis Muilenburg setzt alles daran, die Probleme bei der Unglücksmaschine zu lösen. »Oberste Priorität ist für uns weiterhin, die 737 Max wieder sicher in Dienst zu stellen, wobei wir fortlaufende Fortschritte machen«, erklärte er im Rahmen der jüngsten Zahlenvorlage. Geht es nach dem Topmanager, soll es noch im laufenden vierten Quartal so weit sein. Allerdings muss er zuvor die Aufsichtsbehörden von der Sicherheit des Jets überzeugen. Boeing sieht sich dem Vorwurf möglicher Herstellerfehler ausgesetzt. Ausserdem soll das Unternehmen die US-Flugaufsicht FAA bei der Zulassung der 737 Max getäuscht haben.

Die Krise wirkt sich auch auf den ewigen Zweikampf des US-Konzerns mit Airbus aus. In den ersten drei Quartalen gingen bei Boeing brutto lediglich 170 Bestellungen ein. Damit droht das Unternehmen die 2018 zurückeroberte Vormachtstellung wieder an den Rivalen zu verlieren. Airbus sicherte sich von Januar bis September Orders für 303 Passagiermaschinen (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Flugzeugbestellungen Airbus und Boeing (brutto)

Strukturelles Branchenwachstum
Wenig überraschend haben die Europäer kurzfristig betrachtet auch an der Börse die Nase vorn. Während Boeing in den vergangenen zwölf Monaten Federn lassen musste, verteuerte sich die Airbus-Aktie um mehr als ein Viertel. Indes fliegen die US-Amerikaner auf Sicht von fünf Jahren immer noch voraus. Gegenüber dem globalen Aktienmarkt zeigen beide Large Caps eine deutlich grössere Flughöhe (siehe Grafik 2). In der stattlichen Outperformance kommt der Boom des Sektors zum Ausdruck. Trotz der Debatte um den Klimawandel wächst der Flugverkehr rund um den Globus kräftig. Die International Air Transport Association (IATA) geht davon aus, dass die Airlines 2019 weltweit knapp 4,6 Milliarden Menschen befördern. Damit hätten die Passagierzahlen innerhalb von fünf Jahren um mehr als ein Drittel zugenommen. Geht es nach der Branchenvereinigung, dann werden in Zukunft noch deutlich mehr Maschinen abheben. Für 2038 erwartet die IATA ein weltweites Passagieraufkommen von 8,2 Milliarden. Vor allem in der Region Asien-Pazifik breitet sich dieses Transportmittel immer mehr aus. »China wird die USA als grössten Luftverkehrsmarkt der Welt ablösen«, schreiben die Experten in ihrem Ausblick.

Grafik 2: Airbus versus Boeing versus MSCI World (fünf Jahre)

Entsprechend positiv blicken die Flugzeugbauer in die Zukunft. Airbus hat im September einen längerfristigen Ausblick publiziert. Der Konzern geht davon aus, dass sich die weltweite Flotte von Passagier- und Frachtflugzeugen von momentan knapp 23.000 bis 2038 mehr als verdoppeln wird. »Die für 2038 prognostizierte Flotte von 47.680 Flugzeugen wird sich aus 39.210 neuen und 8.470 weiter eingesetzten älteren Maschinen zusammensetzen«, schreibt das Unternehmen in einer Medienmitteilung. Boeing rechnet damit, dass der »Fuhrpark« der internationalen Airlines bis 2038 sogar auf mehr als 50.000 Maschinen wächst.

Verkaufsschlager auf der Kurz- und Mittelstrecke
Schon jetzt sind die Auftragsbücher der beiden Konzerne prall gefüllt. Im Jahr des 50. Jubiläums verfügt Airbus (per 30. September) über Bestellungen für mehr als 7.100 Maschinen. Rund vier von fünf Orders entfallen auf die A320-Familie. Airbus bezeichnet die zweistrahligen Modelle für die Kurz- und Mittelstrecke als die fortschrittlichsten und treibstoffeffizientesten der Welt. Derzeit greifen die Airlines vor allem bei der A320neo zu. In den ersten drei Quartalen gingen mehr als 100 Bestellungen für das Modell mit bis zu 194 Sitzplätzen und einer maximalen Reichweite von 6.300 Kilometern ein.

Das direkte Konkurrenzangebot von Boeing ist die 737 Max. Bis zu den beiden Abstürzen hatte sich kein Flieger in der Historie des Unternehmens so schnell verkauft wie dieses Modell. Momentan verfügt der Konzern über einen Auftragsbestand von mehr als 4.400 Stück. Allerdings zwang das Flugverbot Boeing dazu, die Produktion am Standort Seattle auf monatlich 42 Stück zu drosseln. Frühestens Ende 2020 soll die Rekordzahl von 57 Stück je Monat erreicht werden. In jedem Fall wird die Krise – momentan veranschlagt der CEO für das »Grounding« der 737 Max Kosten von mehr als 8 Milliarden US-Dollar – den Branchenkrösus weiter stark beschäftigen.

Grafik 3: Umsatzaufteilung Airbus 2018
Grafik 4: Gewinnentwicklung der Airbus-Aktie

Hilfe aus dem Weissen Haus
Analysten halten dem Dow-Jones-Mitglied dennoch die Stange. Auf Thomson Reuters lautet das aktuelle Konsens-Rating für Boeing »Outperform«. Neben dem strukturellen Wachstum der Luftfahrtindustrie spricht die Weltraum- und Verteidigungssparte für den Giganten. Hier kann sich Boeing offenbar auf die Bestellungen der US-Regierung verlassen. Zuletzt schloss der Konzern mit dem Pentagon Verträge über 15 Tankflugzeuge vom Typ KC-46A sowie neue Apache-Helikopter. Insgesamt verfügte die Sparte »Defense, Space & Security« per Ende September über einen Auftragsbestand von 62 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen 30 Prozent auf Kunden ausserhalb der USA.

Im Zweikampf mit Airbus greift die Trump-Regierung Boeing neuerdings mit Strafzöllen unter die Arme. Seit dem 18. Oktober wird auf Flugzeugimporte aus Europa eine Sonderabgabe von 10 Prozent fällig. Zuvor hatte die Welthandelsorganisation WTO grünes Licht für diesen Schritt gegeben. Hintergrund des Schiedsspruchs ist ein seit 15 Jahren währender Streit um staatliche Hilfen für Airbus und Boeing. Die WTO hält diese auf beiden Seiten für unzulässig. Mit ihrer jüngsten Entscheidung erlaubte sie den USA, Zölle auf europäische Einfuhren in einem Gesamtvolumen von 7,5 Milliarden US-Dollar. Die EU hat ihrerseits Strafzölle gegen die USA von rund 10 Milliarden US-Dollar gefordert. Eine Entscheidung des WTO-Tribunals darüber wird frühestens für Anfang 2020 erwartet.

Grafik 5: Umsatzaufteilung Boeing 2018
Grafik 6: Gewinnentwicklung der Boeing-Aktie

Kostspieliger Superjumbo
Wenige Tage nach der Verhängung der jüngsten Abgaben konnte Airbus einen Grossauftrag aus den Staaten verkünden. Die Billigfluggesellschaft Spirit Airlines möchte bis zu 100 Stück der A320neo-Familie kaufen. Sie sollen bis 2027 ausgeliefert werden. Spirit Airlines hatte noch im August erklärt, zwischen den Angeboten von Airbus und Boeing zu schwanken. Trotz dieses Prestigeerfolgs ist der europäische Konzern nicht frei von Sorgen. Schon vor der Verhängung der gezielten Zölle aus Washington stellten der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie das Brexit-Chaos eine Bedrohung für Airbus dar. »Wir haben einige Wolken vor uns«, erklärte CEO Guillaume Faury im September in einem Zeitungsinterview. Operativ musste das Unternehmen im Februar einen Fehlschlag einräumen. Airbus kündigte das Ende der A380-Familie an. 2021 soll das grösste Passagierflugzeug der Welt zum letzten Mal ausgeliefert werden.

Beim Jungfernflug 2005 hatte der Konzern in dem mit bis zu 853 Sitzen ausgestatteten Superjumbo noch die »Zukunft des Langstrecken-Reisens« gesehen. Diese Prognose ging nicht auf. Für die Airlines ist das Modell offenbar nicht wirtschaftlich genug. Lufthansa-CEO Carsten Spohr bezeichnet es zwar als herausragendes Flugzeug. »Es hat sich allerdings gezeigt, dass ein profitabler Einsatz der A380 nur auf den extrem nachgefragten Strecken möglich ist«, kommentierte der Chef der SWISS-Mutter das Aus für den Prestigeflieger.

Gerade das eingangs skizzierte Beispiel spricht dafür, dass sich die Langstrecke in Zukunft auf anderen Maschinen abspielt. Quantas möchte bis Ende des Jahres entscheiden, ob es die ultralangen Strecken ab 2022/2023 in den Flugplan aufnimmt. Für die als »Project Sunrise« bezeichneten Pläne schickt Airbus die A350 ins Rennen. Während von diesem Modell bereits mehr als 300 Stück im Einsatz sind, hat Boeing den Australiern die 777X als das passende Fluggerät vorgeschlagen. Anfang 2020 soll der Jet mit einem Listenpreis von 410,2 Millionen US-Dollar erstmals abheben. Zwölf Monate später und damit früh genüg für die Quantas-Pläne möchte der Konzern die ersten 777X ausliefern.

Fazit: Im Zweikampf zwischen Airbus und Boeing ist auch in Zukunft für jede Menge Spannung gesorgt.

Anlageidee: Ausgewählte Hebelprodukte auf Airbus und Boeing

Seien es die neuesten Flugzeugbestellungen respektive -auslieferungen, Rüstungs- sowie Raumfahrtaufträge, Jungfernflüge oder die regelmässigen Quartals- und Jahresberichte: Airbus und Boeing sorgen häufig für Schlagzeilen. Entsprechend interessant sind die beiden Large Caps für die Trader. Allein deswegen darf das Duo in der Produktpalette der Commerzbank nicht fehlen. Die Tabellen zeigen eine Auswahl an Hebelpapieren auf die beiden Industriegiganten.

Unlimited Turbo-Optionsscheine

Valor

Basiswert

Typ

Hebel

Strike

Stoppschwelle

Handelsplatz

48589822

Airbus

Call

4,1

98,00 EUR

100,99 EUR

BX Swiss, Swiss DOTS

48589823

Airbus

Call

6,7

107,70 EUR

110,98 EUR

BX Swiss, Swiss DOTS

48589826

Airbus

Put

4,8

153,08 EUR

138,42 EUR

BX Swiss, Swiss DOTS

49878442

Airbus

Put

9,9

132,28 EUR

128,25 EUR

BX Swiss, Swiss DOTS

Warrants

Valor

Basiswert

Typ

Hebel

Strike

Laufzeit

Handelsplatz

48705601

Airbus

Call

10,9

120,00 EUR

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48345186

Airbus

Call

16,3

130,00 EUR

19.06.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48705608

Airbus

Put

10,5

125,00 EUR

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48345191

Airbus

Put

12,9

115,00 EUR

19.06.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

49426082

Boeing

Call

6,3

300,00 USD

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48762148

Boeing

Call

14,2

350,00 USD

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

49614814

Boeing

Put

9,6

360,00 USD

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48728394

Boeing

Put

19,5

320,00 USD

20.03.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

Faktor-Zertifikate

Valor

Basiswert

Strategie

Hebel

Laufzeit

Handelsplatz

49589484

Airbus

Long

4

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

49593560

Airbus

Long

6

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

49589551

Airbus

Short

–4

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

49593636

Airbus

Short

–6

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

49645604

Boeing

Short

–4

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

49645644

Boeing

Short

–6

Open End

Swiss DOTS, BX Swiss

Stand: Oktober 2019; Quelle: Commerzbank AG

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.