Analysen

E-Commerce: Beginn einer neuen Zeitrechnung

Schon vor der Coronapandemie war der Onlinehandel auf dem Vormarsch. Doch die weltweiten Ausgangsbeschränkungen haben das Wachstum und die Bedeutung der digitalen Wirtschaft enorm angeschoben. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft nehmen wir das E-Commerce-Segment unter die Lupe.

Der Startschuss für das Weihnachtsgeschäft kommt traditionell aus den USA. Am vierten Donnerstag im November feiern die Staaten den Thanksgiving Day. Einen Tag später beginnt die Suche nach den passenden Präsenten für den Gabentisch. 2020 ist alles anders. Wegen Corona wird so mancher US-Konsument genauso wenig auf den Black Friday warten wie die europäischen Verbraucher auf den ersten Advent. Vielmehr dürften sie aus Furcht vor Engpässen oder neuen Ausgangsbeschränkungen früher zuschlagen. Fest steht, dass vor allem auf den Onlinehandel eine Bestelllawine zukommt. »Wir gehen vom mengenstärksten Weihnachten aller Zeiten aus«, erklärt Olaf Schabirosky, CEO Hermes Germany. Von Oktober bis Dezember stellt er seine Unternehmen auf 120 Millionen Sendungen ein – damit würde der Paketdienstleister das Vorjahresniveau um ein Fünftel übertreffen. Auch dem Konkurrenten DHL Express beschert die Pandemie einen Geschäftsschub. »Aus der Perspektive des E-Commerce könnte man sogar sagen, dass wir durch Covid-19 im Jahr 2020 bereits auf dem Stand des Jahres 2030 sind«, sagt Michiel Greeven, Executive Vice President Global Sales, bei der Deutsche-Post-Tochter.

Nachhaltiger Wachstumsschub
In der Tat dürften die Umsätze in den digitalen Vertriebskanälen 2020 sämtliche Rekorde brechen. Das Institut für Marketing Management (IMM) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) erwartet für den Onlinehandel in der Schweiz einen Gesamtumsatz von 16 Milliarden Schweizer Franken. Bewahrheitet sich diese Prognose, würden die Erlöse den Vorjahreswert um 55 Prozent übertreffen (siehe Grafik 1). Das IMM hat insgesamt 330 Schweizer Branchenvertreter zur momentanen Lage und den weiteren Aussichten befragt. Die Mehrheit der Teilnehmer sieht im derzeitigen Boom keinen Einmaleffekt. »82 Prozent der befragten Onlinehändler erwarten in Zukunft ein nachhaltiges Wachstum«, erklärt das Institut.

Grafik 1: Corona-Effekt in Zahlen

Umsatz Onlinehandel Schweiz

Diese Einschätzung dürften die meisten E-Commerce-Dienstleister anderer Länder teilen. Da praktisch keine Region vom Coronavirus verschont wurde, griffen besonders viele Menschen auf die digitalen Einkaufsmöglichkeiten zurück. Laut Statista wird der Weltmarkt im laufenden Jahr um mehr als ein Viertel auf gut 2,4 Billionen US-Dollar wachsen. Auch wenn das Internetshopping dieses Tempo nicht wird halten können, geht der Trend weiter nach oben. Das Statistikportal taxiert die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bis 2024 auf 8,2 Prozent. Gleichzeitig soll die globale Nutzer-Penetration von 46,6 Prozent auf mehr als 60 Prozent zunehmen.

Erste Wahl ist beim virtuellen Einkauf Kleidung. Laut Statista beträgt der Anteil des »Fashion«-Segments am globalen E-Commerce-Umsatz 26 Prozent. Mit jeweils gut einem Fünftel liegen »Elektronik und Medien« sowie der Bereich »Spielzeug, Hobby und DIY« in etwa gleichauf (siehe Grafik 2). Das grösste Wachstum erwarten die Marktforscher im Geschäftsfeld »Lebensmittel und Drogerie«. Hier sollen die Umsätze 2020 um 34 Prozent zunehmen. Obwohl viele Supermärkte selbst im Lockdown geöffnet blieben, haben Konsumenten ihre täglichen Einkäufe in das World Wide Web verlagert.

Grafik 2: Fashion hat Vorrang

Erwartete E-Commerce-Umsätze weltweit nach Segmenten 2020, Anteile in Prozent

Kollektive Schnäppchenjagd
Quer durch alle Teilbereiche treiben die florierenden Geschäfte sowie die Aussicht auf einen nachhaltigen Bedeutungsgewinn die Aktienkurse börsennotierter E-Commerce-Unternehmen an. Das gilt auch und gerade für den Branchenkrösus Amazon. Im bisherigen Jahresverlauf ist die Kapitalisierung des Internetgiganten um knapp drei Viertel auf zuletzt 1,6 Billionen US-Dollar angeschwollen (siehe Grafik 3). Als sich das Coronavirus im Frühling immer stärker ausbreitete, nahm der Traffic auf Amazon deutlich und nachhaltig zu. Im Juli und August lagen die Seitenbesuche mit jeweils knapp 2,6 Billionen Visits weit über dem Vorjahresniveau (siehe Grafik 4). Die hohen Werte im Sommer erstaunen umso mehr, da Amazon den eigentlich in diese Jahreszeit fallenden Prime Day wegen Covid-19 in den Herbst verschoben hat. Der jüngste Sonderverkauf brach alle Rekorde: Laut Amazon verzeichneten kleine und mittelgrosse Händler die zwei verkaufsstärksten Tage in der Geschichte des Portals. Mit mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar lagen ihre Erlöse 60 Prozent über dem Niveau des Prime Day 2019.

Grafik 3: Gigantismus an der Nasdaq

Wertentwicklung Amazon

Grafik 4: Reges Treiben im virtuellen Grossmarkt

Weltweite Seitenaufrufe (Desktop und Mobile) auf Amazon

Auch in der anstehenden »Holiday Season« dürfte der E-Commerce-Gigant gross abräumen. Seit Mitte Oktober lockt das Unternehmen die Kundschaft mit zahlreichen Angeboten. »Gehen Sie der Weihnachtshektik mit epischen Deals aus dem Weg«, appelliert Amazon an die Onlineshopper. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen mit dem Black Friday vergleichbare Schnäppchen in den virtuellen Shop gestellt. Gleichzeitig vernachlässigt der Konzern nicht seine Ambitionen im Streamingeschäft sowie bei den Cloud-Dienstleistungen. Die Wall Street geht davon aus, dass die Kasse über Jahre hinweg kräftig klingelt. Laut Reuters beträgt der für 2022 erwartete Cashflow je Aktie 137,40 US-Dollar. Behalten die Analysten recht, würde der Mittelzufluss bis dahin gegenüber dem Niveau des vergangenen Jahres um mehr als drei Viertel zunehmen

Dominator im Reich der Mitte
Einen ziemlich weissen Fleck zeigt das globale Imperium von Amazon in China. Im vergangenen Jahr hat der Konzern seinen Marktplatz im Reich der Mitte aufgegeben. Offenbar war für die US-Amerikaner gegen die regionalen Platzhirsche kein Ankommen. Der grosse Dominator im chinesischen Onlinehandel ist Alibaba. Am Investorentag 2020 hat das Unternehmen seine Vormachtstellung ein weiteres Mal dokumentiert. In den zwölf Monaten bis einschliesslich Juni 2020 konnte Alibaba die Zahl der aktiven Kunden um 140 Millionen auf etwas mehr als 1 Milliarde steigern. In China erreicht das Unternehmen mit seinen Handelsportalen mittlerweile mehr als jeden Zweiten der 1,4 Milliarden Einwohner. Der durch Corona forcierte Kundenzustrom macht sich bezahlt, Umsatz und Gewinn schnellten im genannten Zeitraum um jeweils mehr als ein Drittel nach oben.

Vergleichbar mit Amazon ist Alibaba längst mehr als ein reines E-Commerce-Haus. Das Unternehmen spielt die gesamte Klaviatur der Onlinewirtschaft – das Spektrum reicht vom E-Payment über die Cloud bis zur Künstlichen Intelligenz. Aus diesem Imperium soll schon bald ein geschichtsträchtiges IPO hervorgehen. Alibaba möchte die Fintech-Tochter Ant Group an die Börsen in Hongkong und Shanghai bringen. Mit einem erwarteten Volumen von mehr als 34 Milliarden US-Dollar könnte das Debüt sämtliche Rekorde sprengen. Bei den Anteilseignern des Mutterkonzerns herrscht Vorfreude. Im Oktober ist das Alibaba-ADR erstmals über die Marke von 300 US-Dollar geklettert (siehe Grafik 5).

Grafik 5: Internetriese mit Aufwärtsdrang

Wertentwicklung Alibaba

Modehändler setzt auf Zürich
Allen Grund zum viel zitierten »Schrei vor Glück« hatten in den vergangenen Monaten auch die Aktionäre von Zalando. Der mit diesem Werbeslogan gross gewordene Onlinemodehändler ist sowohl operativ als auch an der Börse (siehe Grafik 6) in bisher nicht gekannten Sphären unterwegs. Nach einem starken dritten Quartal haben die Berliner ihre Jahresprognose erhöht. Europas Marktführer rechnet neuerdings für 2020 mit einem Betriebsergebnis (Stufe Ebit) zwischen 375 und 425 Millionen Euro. Bereits am unteren Rand der Spanne würde sich der Profit damit gegenüber dem Vorjahreswert mehr als verdoppeln. Zalando hat während der Pandemie viele neue Kunden gewonnen und gleichzeitig von einer rückläufigen Retourenquote profitiert. Damit noch mehr Nutzer auf Anhieb das passende Kleidungsstück finden, übernimmt das Unternehmen jetzt die Zürcher Fision. Mit der Technologie des von Ingenieuren der ETH gegründeten Software-Unternehmens lassen sich virtuelle 3D-Modelle von Körpern und Kleidungsstücken erstellen. Im Zuge der Akquisition möchte Zalando den Standort Zürich zu einem Tech-Hotspot mit rund 150 Arbeitsplätzen ausbauen.

Grafik 6: Ein echter Hingucker

Wertentwicklung Zalando

Mehr als Pizza, Burger und Sushi
Während der Mode- und Lifestylekonzern in der zweiten deutschen Börsenreihe unterwegs ist, zählt mit Delivery Hero ein weiteres E-Commerce-Unternehmen seit August zum DAX. Der Essenslieferant ist weltweit in mehr als 40 Ländern aktiv. In den ersten beiden Quartalen 2020 lag die Zahl der Bestellungen jeweils um mehr als 90 Prozent über dem Vorjahresniveau (siehe Grafik 7). Insgesamt wickelten die Berliner im ersten Semester über ihre Systeme einen Bruttowarenwert von mehr als 5 Milliarden Euro ab. CEO Niklas Östberg sieht hier noch viel Luft nach oben. In den Ländern, in denen Delivery Hero bereits aktiv ist, taxiert er das jährliche Geschäftspotenzial auf zusammen mehr als eine halbe Billion Euro.

Grafik 7: Lieferdienst im Dauereinsatz

Anzahl Bestellungen Delivery Hero

Längst gibt sich der Chef und Mitbegründer nicht mehr mit dem Food-Segment zufrieden. Vielmehr treibt er den Bereich Quick Commerce voran. Im September verfügte Delivery Hero bereits über annähernd 150 sogenannte Dmarts. Aus diesen über elf Länder verteilten Lagerhäusern heraus werden neben Lebensmitteln, Medikamente, Blumen oder Elektronikartikel in weniger als 20 Minuten ausgeliefert. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Dmarts auf 400 steigen. »Dieser neue Standard wird die Zukunft der Delivery formen«, erklärt Niklas Östberg. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass die Menschen immer seltener in einen Laden gehen werden. »Stattdessen werden sie, was immer sie benötigen, wann immer sie es benötigen, bestellen und ihre Artikel sofort erhalten«, blickt der Schwede in die Zukunft. Im Coronajahr 2020 wirkt diese Vision alles andere als utopisch.

Anlageidee: Hebelprodukte auf ausgewählte E-Commerce-Aktien

Unlimited Turbo-Zertifikate

Valor

Basiswert

Typ

Hebel

Strike

Stoppschwelle

Handelsplatz

57497297

Amazon

Call

12,8

2.839,26 USD

2.959,51 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

55587882

Amazon

Call

6,3

2.593,65 USD

2.704,04 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

57498146

Amazon

Put

6,1

3.564,99 USD

3.416,97 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

54887225

Amazon

Put

4,3

3.781,41 USD

3.624,75 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

57496650

Alibaba

Call

8,1

272,88 USD

284,45 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

56775209

Alibaba

Call

5,3

253,11 USD

263,89 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

51903978

Alibaba

Put

10,4

336,07 USD

322,10 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

55694330

Alibaba

Put

5,6

361,49 USD

346,51 USD

Swiss DOTS, BX Swiss

57250034

Zalando

Call

9,2

71,92 EUR

74,95 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

56493564

Zalando

Call

5,9

67,11 EUR

69,94 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

54726224

Zalando

Put

6,7

92,48 EUR

88,59 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

55326185

Zalando

Put

4,6

97,85 EUR

93,75 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

57088880

Delivery Hero

Call

7,3

84,39 EUR

88,78 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

55926532

Delivery Hero

Call

4,6

76,72 EUR

80,73 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

Faktor-Zertifikate

Valor

Basiswert

Strategie

Faktor

Handelsplatz

56191859

Amazon

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

56191748

Amazon

Short

–8

Swiss DOTS, BX Swiss

56191795

Alibaba

Long

8

Swiss DOTS, BX Swiss

56462489

Alibaba

Long

4

Swiss DOTS, BX Swiss

56191745

Alibaba

Short

–8

Swiss DOTS, BX Swiss

56191857

Alibaba

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

56192067

Delivery Hero

Long

6

Swiss DOTS, BX Swiss

56192063

Delivery Hero

Long

4

Swiss DOTS, BX Swiss

56333475

Delivery Hero

Short

–6

Swiss DOTS, BX Swiss

56333476

Delivery Hero

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

56089078

Zalando

Long

6

Swiss DOTS, BX Swiss

56192038

Zalando

Long

4

Swiss DOTS, BX Swiss

56089157

Zalando

Short

–6

Swiss DOTS, BX Swiss

56089014

Zalando

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

Stand: 2. November 2020; Quelle: Société Générale

Die hier präsentierten Anlageideen berücksichtigen weder Ihre finanziellen Verhältnisse noch Ihre Anlageziele oder Kenntnisse und Erfahrungen. Sie stellen keine individuelle Anlageempfehlung dar. Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.sg-zertifikate.ch zur Verfügung.