Zeitgeist

Rendite auf vier Rädern

Oldtimer gelten nicht nur als schick, sondern eignen sich auch zur Geldanlage. So sind die Preise für die alten Klassiker in den vergangenen Jahren zum Teil beachtlich gestiegen. Die Aussichten auf weitere Wertzuwächse sind durchaus gegeben.

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – jedes Jahr werden in Auktionshäusern unzählige Autos versteigert. Für Sammler ist die alljährliche Rétromobile-Versteigerung in Paris eine Pflichtveranstaltung. Auch wenn im Coronajahr 2021 die von RM/Sotheby’s organisierte Versteigerung nur telefonisch stattfinden konnte, an Interesse und Geld mangelte es trotzdem nicht. Highlights waren der Lamborghini Countach LP400 von 1977, der für eine knappe Dreiviertelmillion den Besitzer wechselte, sowie der Supersportwagen Isdera Commendatore 112i, bei dem der Hammer sogar erst bei 1,2 Millionen Schweizer Franken fiel.

Wertvoll und widerstandsfähig
In Zeiten von Negativzinsen, haussierenden Aktienmärkten und Bitcoin-Hysterie wundert es kaum, dass sich auf dem Markt für klassische Autos längst nicht mehr nur Liebhaber tummeln. Immer mehr Geldanleger und Investoren versuchen ihr Glück mit den PS-Boliden aus der Vergangenheit. Damit lassen sich im besten Fall zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen. Ein Blick auf die Preisentwicklung von historischen Fahrzeugen zeigt nämlich, dass diese nicht nur immer wertvoller werden, sondern scheinbar auch gegen Krisen relativ resistent sind. Unabhängig von jeglicher wirtschaftlicher Entwicklung finden sich im Markt stets solvente Käufer.

Den langfristigen Beweis dafür liefert der Oldtimerindex (OTX) der Südwestbank, der sich aus 20 Klassikern aus dem Autoland Deutschland zusammensetzt. Seit 2005 verteuerte sich der Gradmesser um mehr als 400 Prozent. Zum Vergleich: Beim EURO STOXX 50 steht in diesen Zeitraum »nur« rund ein Doppler zu Buche. Dabei erzielten einzelne Typen noch deutlich höhere Aufschläge. »Highflyer« ist der Ende der Fünfzigerjahre hergestellte BMW 507, dessen Preis in den vergangenen 15 Jahren um 812 Prozent zulegen konnte. Derzeit wird sein Wert auf atemberaubende 1,7 Millionen Euro beziffert.

Grafik 1: Wertentwicklung SWB-OTX und EURO STOXX 50 im Vergleich

Aber auch kurzfristig zeigt sich die Beständigkeit der vierrädrigen Veteranen. Das gilt auch und gerade während der Pandemie. »In instabilen Zeiten neigen Autofans dazu, an ihren Blue-Chip-Fahrzeugen festzuhalten und andere zu kaufen. Daher hat das Interesse zugenommen«, konstatiert Brian Rabold, Vizepräsident für Bewertungsdienstleistungen bei Hagerty. Für den Experten sind das gute Zeichen für den Oldtimermarkt 2021. Bei einigen Exemplaren wie dem Ferrari Testarossa (Baujahr: 1984 bis 1991) oder dem Jaguar XK120 (Baujahr: 1948 bis 1954) erwartet Rabold sogar prozentual zweistelliges Wertwachstum in diesem Jahr.

Zunehmende Beachtung
Auch wenn Oldtimer am Pkw-Gesamtbestand weiterhin nur eine kleine Minderheit darstellen, steigt deren Anteil kontinuierlich an. Diesem Umstand wird auch in Ausstellungen immer mehr Rechnung getragen. So bekamen die historischen Fahrzeuge im Jahr 2019 auf der IAA, der grössten Automesse der Welt, zum ersten Mal eine eigene Halle mit 11.000 Quadratmetern Fläche.

Die oft zitierte Grundregel bei historischen Gegenständen, »je älter, desto teurer«, sollten Interessierte allerdings aus ihrem Gedächtnis streichen. Entscheidend ist die Nachfrage, die letztlich auch den Preis bestimmt. Das langfristige Ranking zeigt, dass derzeit vor allem die Epoche von Mitte der Fünfziger- bis Mitte der Siebzigerjahre gefragt ist. So kommt das zwischen 1964 und 1967 gebaute Porsche-911-Coupé auf einen Wertzuwachs zwischen 2005 und 2020 von 740 Prozent. Ebenfalls überdurchschnittlich schneidet der rund ein halbes Jahrhundert alte BMW 2002 mit einem Plus von 478 Prozent ab. Die Kombination aus klassischem Design, guten Fahrleistungen und zeitgemässer Zuverlässigkeit könnte ein Schlüssel des Erfolgs sein.

Oldtimer sollten nicht als kurzfristige Spekulationsobjekte betrachtet werden, sondern vielmehr als Beimischung zum Gesamtvermögen. Allerdings sind die Autoklassiker nichts für einen schmalen Geldbeutel. »Wir raten aus Renditegesichtspunkten erst ab einem Preis von rund 100.000 Euro zu einem Kauf«, sagt Jens Berner, Oldtimer-Experte der Südwestbank. Im Blick sollten Interessierte auch die Nebenkosten wie Gutachten, Steuern, Versicherung, Wartung und Reparaturen haben. »Sind diese Faktoren geklärt, kann ein Oldtimer eine gute alternative Anlagemöglichkeit in der Niedrigzinsphase sein«, meint Berner.