Zeitgeist

NFT – eine echte Revolution

NFTs stellen derzeit insbesondere die Kunstwelt auf den Kopf. Die Technologie ist aber längst in vielen anderen Branchen angekommen und sorgt für Milliardenumsätze. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen die kryptografischen Token für sich entdecken.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich Mitte März die Meldung über den Verkauf eines digitalen Kunstwerks des Künstlers Beeple für eine Rekordsumme von 69 Millionen US-Dollar. Doch ist das längst nicht alles, was digitale Kunst heute kann. Musiker wie die kanadische Sängerin Grimes, die ein Videoclip für 6 Millionen US-Dollar versteigerte, oder Twitter-Chef Jack Dorsey, der seinen ersten Tweet aus dem Jahr 2006 verkaufte, heizen die Stimmung an. Eine Gruppe von Sammlern und Investoren ging kürzlich sogar noch einen Schritt weiter und sorgte für eine kuriose Verbindung von Real und Digital. Dazu wurde ein Original-Kunstwerk des berühmten britischen Strassenkünstlers Banksy verbrannt, gefilmt und das Video als digitale Repräsentation für 380.000 US-Dollar veräussert.

Fälschungssichere Kunst
Wer sich nun fragt, wie die Echtheit eines virtuellen Guts garantiert wird, stösst auf das kryptische Kürzel NFT. Die Abkürzung steht für »Non-Fungible Token«, was einem digitalen Echtheitszertifikat entspricht. Dieses garantiert, dass unter einer Vielzahl identischer Kopien nur eine Datei als quasi signiertes Original gilt. Abgesichert wird das Gros der NFTs mit einer Blockchain. Das Datenbanksystem gilt aufgrund seines dezentralen Aufbaus als fälschungssicher. Insbesondere die Blockchain der Kryptowährung Ethereum kommt bei NFTs zum Einsatz.

Dass die nicht duplizierbaren digitalen Assets vor allem bei Künstlern gefragt sind, zeigt die hohe Nachfrage aus diesem Bereich. Wurden im vergangenen Jahr laut dem Blockchain-Spezialisten ConsenSys »nur« 53.663 NFT-Kunstwerke auf den fünf grössten Plattformen verkauft, waren es alleine in diesem April bereits 151.977. Parallel dazu steigt auch das Marktvolumen. So legte der NFT-Kunstmarkt in den ersten vier Monaten des Jahres um mehr als 800 Prozent auf 490 Millionen US-Dollar zu. »Die Pandemie hat ein fruchtbares Umfeld für obsessive Online- und arbeitslose Künstler geschaffen, um ihre Arbeit zu monetarisieren«, so die Experten von ConsenSys. Selbst das geschichtsträchtige britische Auktionshaus Christie’s ist auf den NFT-Zug aufgesprungen.

Milliardenmarkt
Die nicht fungiblen Token werden aber nicht nur in der Welt der Kunst genutzt, auch Sport-NFTs wie NBA Hot Shot-Token und Sammlerstücke wie CryptoPunks ziehen viel Kapital an. Allein im ersten Quartal 2021 erreichte der Gesamtmarkt nach Daten von nonfungible.com einen Wert von mehr als 2 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Allerdings beobachten Experten erste Überhitzungsanzeichen. So hat sich die Anzahl der NFT-Verkäufe im April diesen Jahres um nahezu 28 Prozent reduziert, der Gesamtumsatz sank dabei um knapp 14 Prozent. Der eingangs erwähnte Digitalkünstler Beeple verglich den Markt kürzlich sogar mit der Dotcom-Blase der Neunzigerjahre, die 2000 spektakulär platzte.

Noch ist es aber nicht so weit und ein Blick auf die Kursentwicklung von Ethereum zeigt, dass weiterhin viel Bewegung in der Branche ist. Die zweitgrösste Cyber-Währung befindet sich derzeit – wenn auch zuletzt unter starken Schwankungen – auf Rekordjagd. Innerhalb von nur zehn Tagen stellte Ethereum im April neun Bestmarken auf, ehe es im Mai zu einer Korrektur kam. Dennoch hat sich der Wert der digitalen Währung seit Jahresbeginn mehr als verdreifacht. Davon wiederum profitieren börsennotierte Firmen wie Hive Blockchain Technology. Der kanadische Crypto-Mining-Spezialist stellt als einziges Unternehmen Ethereum im industriellen Massstab her und verwendet dabei grüne Energie.

NFT als Distributionsmaschine
Aber auch andere Konzerne möchten am NFT-Trend partizipieren. Die US-Software-Schmiede Square bringt sich Marktspekulationen zufolge nach dem jüngsten Zukauf des Musikstreamingdienstes Tidal bereits in Stellung. CEO Jack Dorsey liess durchblicken, dass das neue Tidal sich darauf konzentrieren wird, »neue Wege für Künstler zu finden, um ihre Arbeit zu unterstützen«. Mit anderen Worten: Square könnte über die Plattform Musik über NFTs vertreiben. Dass diese Bewegung bereits im Gange ist, zeigt die Band »Kings of Leon«, die ihr neues Album im März per NFT veröffentlichte.

Das börsennotierte deutsche Online-Auktionshaus Artnet macht ebenfalls Ernst. Das Unternehmen gab bekannt, das Geschäftsmodell in Richtung NFTs auszubauen. »Mit der Blockchain-Technologie und NFT sind wir jetzt endlich in der Lage, digitale Kunstwerke online zu verkaufen«, erklärt Artnet-Vorstand Jacob Pabst. Konkurrent Weng Fine Art, der ein Viertel aller Artnet-Aktien hält, möchte ebenfalls über seine Tochter ArtXX in den Handel mit NFTs einsteigen.

Noch ist das Phänomen zwar neu, die branchenweiten Entwicklungen zeigen aber, dass die kryptografischen Token alles andere als eine kurzlebige Modeerscheinung sein dürften. Daher könnten sie auch für Anleger ein spannendes Investmentthema darstellen.