Zeitgeist

Yoga – mehr als nur spirituelles Wachstum

Die altertümliche Heilkunst erlebt seit Jahren einen Boom und wird dabei immer kommerzieller. Die Transformation von der traditionellen Harmonisierung des Körpers zum neuen Lifestyle des 21. Jahrhunderts geht mit Milliardensummen einher.

Yoga zählt weltweit zu den ältesten Wissenschaften und ist in Indien bereits seit mehr als 3.000 Jahren bekannt. Eine bis heute wichtige Person im Bereich der Körper- und Atemübungen ist Patanjali, der im Jahr 400 vor Christus das Werk »Yoga Sutra« verfasste. Der Gelehrte beschrieb den »königlichen Weg des Yoga«, der moralisch-ethische wie auch Meditationsanleitungen beinhaltet.

Das einstige Ziel, das höchste Bewusstseinslevel zu erreichen, scheint in der heutigen modernen Zeit aber eher zweitrangig zu sein. Freilich gibt es noch viele Yogis, die in unserer hektischen Welt einen Zufluchtsort zur Entschleunigung suchen, um sich für kurze Zeit ganz und gar auf sich selbst zu besinnen. Die offensichtlich grösste Motivation scheinen jedoch ausgefeilte Körperübungen zu sein, die eine noch straffere Figur versprechen.

»It’s a Woman’s World«
Kein Wunder also, dass sich hauptsächlich das weibliche Geschlecht für diese Art der physischen Fitness interessiert und der Trend inzwischen auch die Welt der Stars und Sternchen erobert hat. Zahlreichen Promis genügt es aber längst nicht mehr, ihr Workout alleine zu absolvieren, sie lassen über die sozialen Medien die ganze Welt daran teilhaben. So sieht man Topmodel Gisele Bündchen im Kopfstand am Strand, die Queen of Pop Lady Gaga beweist ebenfalls mit Yoga-Schnappschüssen ihre Gelenkigkeit und Victoria’s-Secret-Engel Alessandra Ambrosio lässt keine Gelegenheit aus, ihren mehr als zehn Millionen Followern ihr inneres Gleichgewicht zu präsentieren.

Laut der Studie »Sport Schweiz 2020« liegt der Anteil des weiblichen Geschlechts an diesem Trend allein hierzulande bei rund 80 Prozent. Das Interesse nimmt aber grundsätzlich weiter zu: Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Yoga- und Pilates-Treibenden um 5,7 Prozent auf einen Anteil von 12,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Aber nicht nur in der Schweiz ist Yoga auf dem Vormarsch, in vielen westlichen Ländern ist der spirituelle Weg mittlerweile Teil der Alltagskultur geworden.

Yoga als »Modetrend«
Die zunehmende Breitenwirksamkeit bei verstärkter Kommerzialisierung sorgt dafür, dass sich auch immer mehr Unternehmen mit der alten indischen Lebensphilosophie auseinandersetzen. Als einer der Ersten erkannte Lululemon-Athletica-Gründer Chip Wilson, selbst ein passionierter Yogi, 1998 den Trend. Der inzwischen 66-jährige Geschäftsmann entwickelte spezielle Yoga-Pants und bediente damit eine Marktlücke. Mit Erfolg: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben sich Umsatz und Gewinn mehr als verdoppelt. Eine Leistung, die auch an der Börse honoriert wird. Die Lululemon-Aktie legte in diesem Zeitraum um rund 600 Prozent zu.

Das in Vancouver ansässige Sportbekleidungsunternehmen bekommt allerdings immer mehr Konkurrenz. Auch die Sportartikelgrössen adidas, Nike oder Under Armour haben sich inzwischen von dem gesunden Lebensstil inspirieren lassen und sind mit eigenen Produkten auf den Yoga-Zug aufgesprungen. So bietet beispielsweise Nike von der Matte über eine riesige Kleidungskollektion bis hin zu Apps, wo ausgebildete Nike-Trainer Onlineübungen vorführen, ein breites Angebot.

Milliardenmarkt
Dass sich immer mehr Unternehmen für Yoga interessieren, dürfte auch an den guten Aussichten für den Markt liegen. Laut den Experten von Allied Market Research wird die Yoga-Industrie in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterwachsen. Erwirtschaftete die Branche 2019 knapp 37,5 Milliarden US-Dollar, sollen es bis zum Jahr 2027 voraussichtlich 66,2 Milliarden US-Dollar werden. Die durchschnittliche Steigerungsrate zwischen 2021 und 2027 beziffert das Researchhaus auf 9,6 Prozent.

Als Hauptdeterminanten des Wachstums werden gesundheitliche Vorteile im Zusammenhang mit Yoga, die Unterstützung und Förderung der Praktiken durch Prominente sowie die Initiierung desinternationalen Yoga-Tages genannt. Letztgenannter trägt die Handschrift Indiens. Die Regierung des Subkontinents legte der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2014 eine Resolution vor, die Yoga einen gesundheitlichen Nutzen zuschreibt. Der Beschluss wird mittlerweile von knapp 177 Mitgliedsstaaten unterstützt und die offiziellen Feierlichkeiten finden seither jedes Jahr am 21. Juni statt. Bei so viel »Love, Peace and Happiness« und einem immer grösser werdenden Schuss »Geldmacherei« bleibt nur noch eines zu sagen: Namaste an alle Yogis – und Anleger!