Analysen

Erkenntnisse aus der Platinum Week

Mitte Mai fand in London die alljährliche Platinum Week statt, in deren Rahmen die wichtigsten Marktbeobachter wie Metals Focus, World Platinum Investment Council und Johnson Matthey die neuen Markteinschätzungen zu den Platinmetallen veröffentlicht haben. Allgemeiner Tenor ist, dass der globale Platinmarkt nach einem massiven Angebotsüberschuss 2021 in diesem Jahr überversorgt bleiben dürfte, wenn auch weniger deutlich als im vergangenen Jahr. Risiken gibt es sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Wir beleuchten die wichtigsten Erkenntnisse.

Der World Platinum Investment Council (WPIC), der seine Prognose in Zusammenarbeit mit dem auf Edelmetalle spezialisierten Researchunternehmen Metals Focus erstellt, rechnet in diesem Jahr bei Platin mit einem Angebotsüberschuss von 627.000 Unzen. Dies stellt eine leichte Abwärtsrevision um 25.000 Unzen im Vergleich zur vorherigen Schätzung im März dar. Der Angebotsüberschuss soll damit rund 500.000 Unzen geringer ausfallen als im Vorjahr (siehe Grafik 1). Der deutlich reduzierte Überschuss kommt deshalb zustande, weil das Angebot um 5 Prozent fallen, die Nachfrage dagegen um 2 Prozent steigen soll. 

Grafik 1: Platinmarkt bleibt 2022 überversorgt

Globale Marktbilanz

Beim Angebot fällt insbesondere der starke Rückgang der Minenproduktion um 9 Prozent bzw. 421.000 Unzen in Südafrika ins Gewicht, dem mit Abstand wichtigsten Platinproduzentenland. Dabei handelt es sich jedoch um eine Normalisierung nach dem besonders kräftigen Anstieg um 26 Prozent bzw. 1,3 Millionen Unzen im Vorjahr, der durch einen Nachholeffekt begünstigt wurde. Denn nach dem monatelangen Ausfall einer Verarbeitungsanlage im Jahr 2020 lagen noch grössere Mengen unverarbeiteter Erze auf Lager, die nach der Wiederinbetriebnahme der Anlage verarbeitet werden konnten. Dieser Prozess erfolgte deutlich schneller, als es die Minenindustrie zuvor erwartet hatte. Die Minenproduktion in Südafrika wäre ohne diesen Sonderfaktor im vergangenen Jahr nicht so stark gestiegen und würde in diesem Jahr wahrscheinlich nicht fallen. Der kräftige Anstieg der Minenproduktion in Kanada wird dagegen durch die erwarteten Rückgänge in Russland und in Simbabwe ausgeglichen. Das Recyclingangebot soll ebenfalls um 2,3 Prozent fallen. In der März-Prognose ging der WPIC noch von einem Anstieg um 4 Prozent aus. Der Grund für die Abwärtsrevision ist ein deutlich geringeres Recycling in der Automobilindustrie im ersten Quartal infolge der weltweiten Chip-Knappheit und der Zero-Covid-Politik in China. Dadurch wurden deutlich weniger Autos und damit auch Katalysatoren verschrottet.

Wichtigster Nachfragetreiber bleibt mit einem erwarteten Anstieg um 16 Prozent die Automobilindustrie. Sie soll 2022 gut 3 Millionen Unzen Platin benötigen. Damit würde der coronabedingte Rückgang von 2020 mehr als wieder wettgemacht (siehe Grafik 2). Knapp die Hälfte des Anstiegs entfällt auf eine höhere Automobilproduktion, der andere Teil auf einen stärkeren Einsatz von Platin wegen strengerer Emissionsvorschriften sowie eine fortgesetzte Substitution von Palladium in den Katalysatoren. Die beiden letztgenannten Aspekte betreffen insbesondere China. Allerdings sieht Metals Focus auch Abwärtsrisiken bei der Automobilproduktion wegen der Corona-Lockdowns in China und des Kriegs in der Ukraine sowie deren Einfluss auf die Lieferketten und die Engpässe von Chips. Dem erwarteten Nachfrageplus seitens der Automobilindustrie steht allerdings ein ebenso kräftiger prozentualer Rückgang der industriellen Nachfrage ausserhalb der Automobilindustrie gegenüber. Er ist ausschliesslich auf eine Normalisierung der Nachfrage aus der Glasindustrie zurückzuführen, die im vergangenen Jahr ausgesprochen hoch war, da zunächst für 2020 geplante Investitionen wegen der Coronapandemie erst im vergangenen Jahr erfolgen konnten. Ohne diesen Effekt würde die Industrienachfrage Metals Focus zufolge nur um 1 Prozent zurückgehen. Die Schmucknachfrage soll um weitere 2 Prozent fallen, was WPIC und Metals Focus auf China zurückführen. Die Schmucknachfrage bleibt damit in einem schon seit Jahren anhaltenden Abwärtstrend. Lag ihr Anteil an der gesamten Nachfrage vor sechs Jahren noch bei 30 Prozent, so ist er inzwischen auf 26 Prozent gesunken, bei einer 14 Prozent niedrigeren Gesamtnachfrage.

Grafik 2: Platinnachfrage aus Automobilindustrie wieder auf Vor-Corona-Niveau

Platinnachfrage nach Segmenten

Die physische Investmentnachfrage (ohne ETFs) soll in diesem Jahr um 23 Prozent zurückgehen, was einer schwachen Münz- und Barrennachfrage geschuldet ist. Grund hierfür sind Liquidationsverkäufe japanischer Anleger, die traditionell Platinbarren kaufen. Angesichts des schwachen japanischen Yen und der dadurch bedingt hohen lokalen Preise dürften sie dieses Jahr aber nicht kaufen, sondern verkaufen. Die Platin-ETFs sollen 2022 zwar erneut Abflüsse verzeichnen, Metals Focus und der WPIC rechnen aber mit deutlich geringeren Abflüssen als im vergangenen Jahr (siehe Grafik 3). Damit diese Prognose eintritt, müsste es allerdings im zweiten Halbjahr zu einer Änderung des Anlegerverhaltens kommen. Denn nach sechs Monaten summierten sich die ETF-Abflüsse laut Bloomberg bereits auf fast 270.000 Unzen, was die Verkäufe des gesamten Vorjahres bereits übertrifft. Somit bestehen bei der Investmentnachfrage eher Abwärtsrisiken. Der Angebotsüberschuss bei Platin könnte daher auch noch etwas höher ausfallen, zumal auch bei der Automobilnachfrage eher Abwärts- als Aufwärtsrisiken bestehen. Laut dem auf die Automobilbranche spezialisierten Daten- und Informationsanbieter LMC Automotive dürften wegen der genannten Faktoren in diesem Jahr rund 9,6 Millionen weniger Pkw produziert werden, davon allein 4,1 Millionen weniger Pkw in Europa. Gerade dieser Effekt ist für Platin relevant, da in Europa insbesondere Diesel-Pkw produziert werden, in denen hauptsächlich Platin in den Katalysatoren eingesetzt wird.

Grafik 3: Platin-ETFs schon wieder mit beträchtlichen Abflüssen

Zuflüsse/Abflüsse; 2022: Prognose, roter Balken: Januar bis Juni laut Bloomberg

Eine »optimistischere« Sicht vertritt dagegen der Chef des World Platinum Investment Council. Er spricht von einem »fragilen« Angebotsüberschuss, der wegen eines begrenzten Angebots und einer robusten Nachfrage aus der Automobilindustrie deutlich geringer ausfallen könnte. Das sollte in den aktuellen Prognosen für dieses Jahr aber bereits hinreichend berücksichtigt sein. Beim Angebot bestehen sowohl für Südafrika als auch für Russland Abwärtsrisiken. In Südafrika könnten wegen möglicher Stromengpässe Produktionsausfälle drohen. Das Platinangebot aus Russland könnte wegen der westlichen Sanktionen in seiner Verfügbarkeit eingeschränkt sein. So wurde in Russland produziertes Platin vom Handel in London und Zürich verbannt. Eine Rückkehr zu einem ausgeglichenen Markt oder gar einem Angebotsdefizit ist unseres Erachtens daher im kommenden Jahr möglich, zumal die Nachfrage weiter steigen dürfte, sobald die Chipknappheit und die Lieferkettenprobleme nachlassen.

Der Platinpreis stieg in den ersten beiden Monaten des Jahres deutlich und erreichte Anfang März mit 1.180 US-Dollar je Feinunze das höchste Niveau seit Juni 2021. Vom Anfang 2021 verzeichneten 6½-Jahres-Hoch blieb der Preis damit aber rund 150 US-Dollar entfernt. Der starke Preisanstieg wurde zudem schnell wieder rückgängig gemacht. Seit Mitte März handelte der Preis in einer Spanne zwischen 900 US-Dollar und 1.050 US-Dollar, wobei Ausflüge über die Marke von 1.000 US-Dollar hinaus jeweils nur kurzlebig waren. Anfang Juli rutschte der Preis sogar unter 900 US-Dollar auf das niedrigste Niveau seit Herbst 2020 (siehe Grafik 4).

Grafik 4: Platinpreis auf 20-Monats-Tief gefallen

Die spekulativen Finanzanleger setzen seit Ende April mehrheitlich auf fallende Preise, trauen Platin also keine schnelle Preiserholung zu. Der Preisabschlag zu Gold betrug zuletzt rund 900 US-Dollar je Feinunze. Platin stieg zu Jahresbeginn stärker als Gold, geriet im Anschluss aber stärker unter Druck. Der Platinpreis dürfte auch in den kommenden Monaten stark vom Goldpreis beeinflusst werden. Dies spricht für moderates Aufwärtspotenzial, da wir für Gold einen Preisanstieg auf 1.900 US-Dollar je Feinunze bis zum Jahresende erwarten. Der für dieses Jahr erwartete erneute Angebotsüberschuss spricht jedoch dagegen, dass Platin gegenüber Gold nennenswert Boden gutmachen kann. Wir erwarten einen Platinpreis von 1.050 US-Dollar je Feinunze am Jahresende.

Produktidee: Faktor-Optionsscheine auf Platin

Faktor-Optionsscheine

Valor

Basiswert

Strategie

Faktor

Laufzeit

Geld-/Briefkurs

58529882

Platinum-Future

Long

4

Unbegrenzt

3,47/3,51 CHF

58529881

Platinum-Future

Short

–4

Unbegrenzt

29,87/30,16 CHF

115063867

Platinum-Future

Long

6

Unbegrenzt

7,42/7,53 CHF

115150927

Platinum-Future

Short

–6

Unbegrenzt

11,35/11,51 CHF

Stand: 5. Juli 2022; Quelle: Société Générale

Die hier präsentierten Anlageideen berücksichtigen weder Ihre finanziellen Verhältnisse noch Ihre Anlageziele oder Kenntnisse und Erfahrungen. Sie stellen keine individuelle Anlageempfehlung dar. Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.sg-zertifikate.ch zur Verfügung.