Analysen

Schweizer Mid Caps im Rückstand

Klein schlägt gross, heisst es gerne an der Börse. Doch die im Zuge einer wirtschaftlichen Abkühlung aufkeimenden Ängste und die damit verbundene Risikoaversion liess die Mid Caps gegenüber Large Caps zuletzt zurückfallen. Sobald das Vertrauen der Börsenteilnehmer in einen Aufschwung wieder zurückkehrt, könnten die mittelgrossen Titel aber wieder ihre Stärken ausspielen.

Das Renditepotenzial von Mid Caps wird in der Regel höher eingeschätzt als das der Grosskonzerne. Ein Blick in den Rückspiegel belegt diese Annahme auch. Während des 5-Jahres-Zeitraums zwischen 2017 und 2021 legte der SMIM um knapp drei Viertel zu und damit rund 20 Prozentpunkte mehr als der SMI. Allerdings büssen die Nebenwerte gerade kräftig an Vorsprung ein. Im laufenden Jahr tauchte der Mittelstandsindex um 26 Prozent ab und verlor damit deutlich mehr als die Blue Chips (siehe Grafik 1).

Grafik 1: SMI versus SMIM (seit 2017)

Konjunktur in Gefahr
Die Entwicklung zeigt, dass die momentanen Stressfaktoren, zu denen der Ukraine-Krieg, die galoppierende Inflation und der geldpolitische Spurwechsel zählen, den Mid Caps deutlich mehr zusetzen. Dabei sind es weniger die einzelnen Ereignisse, die die Aktien aus der zweiten Reihe aus dem Tritt bringen, als vielmehr die Folge dieser Begebenheiten, nämlich ein Konjunkturabschwung. In Zeiten von Rezessionen müssen die kleineren Unternehmen oft stärker um die Etablierung ihres Geschäftsmodells und ihre Marktposition kämpfen, als das bei den grossen der Fall ist.

Dass eine wirtschaftlich langsamere Gangart bevorsteht, zeigt sich an der jüngsten Prognose des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Ökonomen des Bundes erwarten für 2022 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,6 Prozent, im März hatten sie noch ein Plus von 2,8 Prozent veranschlagt.

»Risiken für die globale Konjunktur gehen insbesondere vom Krieg in der Ukraine sowie von der Entwicklung in China aus«, heisst es beim Ausblick der Wirtschaftsexperten des Bundes. Insbesondere der Teuerungsdruck bremst die Nachfrage bei wichtigen Handelspartnern, was sich wiederum dämpfend auf die heimische Exportwirtschaft auswirkt. Die Inflationsprognose wurde von bislang 1,9 Prozent auf 2,5 Prozent für das laufende Jahr angehoben. Steigende Preise lasten sowohl auf dem privaten Konsum als auch auf dem Investitionsklima.

Reduzierte Bewertung
Die Frage ist nun, ob in dem starken Rücksetzer die unsicheren Aussichten mittlerweile eingepreist sind. Ein Blick auf die Bewertung könnte Licht ins Dunkel bringen. So ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des SMIM seit Jahresbeginn von knapp 26 auf momentan 18,5 gefallen. Damit wird der Index um 28 Prozent günstiger gehandelt als zu Jahresbeginn (siehe Grafik 2).

Grafik 2: KGV – SMIM versus SMI (forward, 12-month)

Auch ist das KGV mittlerweile unter den Durchschnitt der vergange- nen zehn Jahre gerutscht. Doch selbst wenn die Bewertung damit im langfristigen Vergleich bereits günstig erscheint, muss der Boden noch nicht erreicht sein. In der Finanzkrise ging es bis auf einen Wert von zehn nach unten, im Corona-Crash drehte die Kennzahl ebenfalls erst im Bereich von 15. Ein detaillierter Blick auf die 30 SMIM-Komponenten zeigt zudem, dass noch viele Unternehmen hoch bewertet sind. Knapp die Hälfte der Index-Mitglieder notiert derzeit mit einem 2023er-KGV von über 20 (siehe Grafik 3). Beim Gewinnwachstum finden sich dagegen nur drei Firmen mit Progno- sen von mehr als 20 Prozent. Zu denen zählen Dufry und der Flug- hafen Zürich, wo es allerdings zu einem Basiseffekt kommt. Positiv ist dagegen, dass bis dato ebenfalls nur bei drei Unternehmen – BB Biotech, Kuehne + Nagel und Zur Rose – ein Rückgang erwartet wird.

Grafik 3: SMIM – Hits und Flops KGV 2023

Hits und Flops
Es gibt aber auch einige Titel, die bereits günstig aussehen. Dazu zählt ams-Osram, der Halbleiterhersteller weist ein KGV von 6,6 auf. Demgegenüber steht wiederum ein erwartetes Gewinnwachstum von 17 Prozent. Eine ähnliche Diskrepanz dieser beiden Kennziffern lässt sich auch bei Julius Bär feststellen. Beide Aktien sind im ersten Halbjahr dessen ungeachtet überdurchschnittlich stark gefallen.

Eine positive Performance weisen sowieso nur drei Mid Caps auf (siehe Grafik 4). Mit Baloise und Helvetia finden sich zwei Versicherer, denen das erhöhte Zinsniveau in die Hände spielen könnte, auf den ersten Rängen. Letztgenannter konnte auch mit hohem Wachstum punkten. So hat sich das Ergebnis von Helvetia 2021 auf 519,8 Millionen Schweizer Franken nahezu verdoppelt.

Grafik 4: SMIM – Tops und Flops im ersten Halbjahr (in Prozent)

Glänzen konnte zuletzt auch Clariant. Mit Preiserhöhungen trotzte der Spezialchemikalien-Hersteller der Inflation und steigerte seinen Umsatz im ersten Quartal um 26 Prozent. Davon blieb auch etwas mehr in der Kasse hängen als im Vorjahr. Die operative Gewinnmarge zog leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 17,4 Prozent an. Für das Gesamtjahr peilt der Konzern ebenfalls eine Verbesserung der Marge an. Darüber hinaus bekräftigte Clariant seine Mittelfristziele bis 2025.

Ganz anders stellt sich die Lage bei Zur Rose dar, der bis dato schwächsten Aktie im SMIM dieses Jahr. Zwar erzielte die Versandapotheke im vergangenen Jahr ein kräftiges Erlösplus, doch schwollen gleichzeitig auch die Verluste an. Der bereinigte Betriebsverlust türmte sich auf 128,9 Millionen Schweizer Franken auf, 2020 waren es »nur« 31,2 Millionen Schweizer Franken. Eine schnelle Wende ist nicht in Sicht. Für dieses Jahr stellt der Vorstand ein bereinigtes Ebitda von minus 75 bis minus 95 Millionen Schweizer Franken in Aussicht und die Ertragswende wird erst für 2024 angepeilt.

Keinen guten Start in den SMIM hatte die vor Zur Rose platzierte Bachem-Aktie. Wegen der Übernahme von Vifor wurde die auf die Peptid-Chemie fokussierte Bachem zum 31. März 2022 in einer ausserordentlichen Indexanpassung in das Auswahlbarometer aufgenommen. Trotz Kursverlusten von mehr als 50 Prozent seit Silvester erscheint der Titel mit einem KGV jenseits der 30 nicht günstig. Einzig der Schoggi-Spezialist Lindt kommt auf eine noch höhere Bewertung.