Commerzbank Analysen

Nahrungsmittelindustrie: Kollektiver Wachstumshunger

Die europäische Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie befindet sich im Umbruch. Auf der einen Seite gilt es für die grossen Branchenvertreter, die richtigen Antworten auf sich verändernde Ernährungsgewohnheiten zu finden. Gleichzeitig sitzen den Konzernmanagern aktivistische Investoren und potenzielle Aufkäufer aus Übersee im Nacken.

Das Oktoberfest macht München ab dem 16. September für gut zwei Wochen zum internationalen Besuchermagnet. Einmal mehr dürften zahlreiche Schweizer die Reise in die bayrische Landeshauptstadt antreten. Laut einer offiziellen Zählung waren 2014 annähernd 100.000 Eidgenossen am grössten Volksfest der Welt vor Ort. Abgesehen vom Gastgeberland zählte die Schweiz damit – gleichauf mit den USA und Italien – zu den drei auf der »Wiesn« am stärksten vertretenen Nationen. Global geht es am Oktoberfest auch in punkto Bierausschank zu: Während Spaten-Franziskaner und Löwenbräu in der Hand von Anheuser-Busch InBev liegen, zählen Paulaner und Hacker-Pschorr zum Markenportfolio von Heineken. Mit Augustiner und Hofbräu sind nur noch zwei Münchner Traditionshäuser in privatem respektive staatlichem Besitz.

Damit steht das Oktoberfest exemplarisch für die Konsolidierungswelle in der internationalen Getränkeindustrie. In den vergangenen Jahren sorgte das Brauereiwesen mit einer Reihe von milliardenschweren Fusionen und Übernahmen – im Fachjargon Mergers & Akquisitions (M&A) – für Aufsehen. Den Höhepunkt bildete der 2015 abgeschlossene Zusammenschluss von Anheuser-Busch InBev und SAB Miller. Mit einem Volumen von mehr als 101 Milliarden US-Dollar zählt er branchenübergreifend zu den grössten M&A-Deals aller Zeiten. Während die »Fusionitis« im Biersegment mittlerweile etwas abgeflaut ist, bahnt sich in der Lebensmittelindustrie als Ganzes die nächste M&A-Welle an. Laut Zahlen des Beratungsunternehmens Stout lag das Transaktionsvolumen im ersten Semester 2017 mit 143 Milliarden US-Dollar um 6 Prozent über dem Vorjahreswert.

Superinvestor sorgt für Initialzündung
Ginge es nach Warren Buffett, würde der Sektor gerade einen weiteren Deal der Superlative erleben. Am 17. Februar liess der von der Investorenlegende dominierte US-Ketchuphersteller Kraft Heinz mit einer 143 Milliarden US-Dollar schweren Kaufofferte für Unilever aufhorchen. Doch der europäische Lebensmittelriese lehnte das Angebot vehement ab. Obwohl die US-Amerikaner nur zwei Tage später einen Rückzieher machten, kann ihr Vorstoss gut ein halbes Jahr später getrost als eine Art Initialzündung betrachtet werden. In der europäischen Nahrungsmittelindustrie läuft seither ein regelrechter Umbruch. Nicht nur, dass Unilever einen gross angelegten Konzernumbau ankündigte. Mit dem Branchenkrösus Nestlé und dem französischen Joghurtkonzern Danone sind zwei namhafte Unternehmen des Sektors wohl in das Visier aktivistischer Investoren geraten. Wenig überraschend schob die skizzierte Gemengelage die Aktienkurse an. Am 20. Juni erreichte der STOXX Europe 600 Food & Beverage Index ein Allzeithoch (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Wertentwicklung STOXX Europe 600 Food & Beverage Index

Absolutes Branchenschwergewicht ist Nestlé. Per 31. Juli steuerte der heimische Konzern knapp 30 Prozent zum Index bei (siehe Grafik 2). Die Nestlé-Aktie markierte nur wenige Tage nach der Sektorauswahl eine historische Bestmarke. Zuvor war bekannt geworden, dass der US-Hedgefonds Third Point für knapp 3,3 Milliarden Schweizer Franken rund 40 Millionen Aktien des in Vevey beheimateten Konzerns gekauft hat. In einem Brief an seine Investoren moniert Daniel Loeb, CEO des in New York ansässigen Investmentunternehmens, die Tempoverlangsamung bei dem Lebensmittelriesen. In der Tat hat das organische Umsatzwachstum von Nestlé in den vergangen Jahren deutlich abgenommen (siehe Grafik 3). Um das Unternehmen wieder auf Trab zu bringen, stellte Loeb mehrere Forderungen auf. Zwei davon hat Nestlé bereits erfüllt: Seit Anfang Juli läuft ein bis zu 20 Milliarden Schweizer Franken schweres Aktienrückkaufprogramm. Zeitgleich mit dieser Massnahme kündigte das Management am 27. Juni eine Ausweitung der Verschuldung an. Wenig überraschend wurde Third Point in der Medienmitteilung nicht erwähnt. Vielmehr verwies Nestlé darin auf eine Anfang des Jahres eingeleitete Überprüfung der Kapitalstruktur.

Grafik 2: Top-Aktien STOXX Europe 600 Food & Beverage Index
Grafik 3: Organisches Wachstum Nestlé

nach Quartalen

Ungeachtet dessen ist beim grössten Unternehmen der Schweiz weiterhin für reichlich Spannung gesorgt: Am 27. September steht der diesjährige Investorentag von Nestlé auf der Agenda. Dann dürfte der seit Anfang des Jahres amtierende CEO Mark Schneider weitere Details zu seinen strategischen Plänen nennen. Ob und inwieweit er bei dem Anlass auf die Forderungen des neuen Grossaktionärs eingeht, ist dagegen völlig offen. Auf dem Wunschzettel des Hedgefonds würde unter anderem noch ein Verkauf der L’Oréal-Beteiligung stehen. Nestlé hält 23 Prozent an dem französischen Kosmetikkonzern.

Danone gilt als Übernahmekandidat
Bereits im Mai hat Danone die Investoren zu einer zweitägigen Konferenz in das nur gut eine Autostunde von der Nestlé-Zentrale entfernte Evian eingeladen. CEO Emmanuel Faber präsentierte am französischen Südufer des Genfer Sees die Wachstumspläne des für Marken wie Actimel oder Activia bekannten Konzerns. Eine zentrale Rolle nimmt die 12,5 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme von WhiteWave ein. Neben Milchersatzprodukten auf Soja-, Mandel- oder Reisbasis zählen »echte« Milch, Joghurt, Frischobst sowie abgepackte Salate zur Bioproduktpalette des US-Unternehmens. Danone reagiert mit dem Zukauf offenbar auf den globalen Trend hin zu einer gesünderen Ernährung. Einen Wachstumsschub könnte das Unternehmen gut gebrauchen. Zuletzt bremste den führenden Joghurthersteller vor allem das europäische Milchgeschäft aus. Im ersten Semester nahmen die Konzernumsätze auf vergleichbarer Basis lediglich um 0,4 Prozent zu. Beim Gewinn je Aktie verbuchte Danone jedoch ein Wachstum von 11,1 Prozent. Neben Kosteneinsparungen machten sich hier erste positive Effekte aus der WhiteWave-Akquisition bemerkbar.

Möglicherweise sorgt bei den Franzosen schon bald ein aktivistischer Investor für zusätzliche Impulse. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg ist Corvex Management im grossen Stil eingestiegen. Der Hedgefonds soll rund 0,8 Prozent des Danone-Aktienkapitals halten. Zum aktuellen Börsenkurs wäre das Paket umgerechnet mehr als 400 Millionen Schweizer Franken schwer. Nur einen Tag vor der Bloomberg-Meldung hatte die New York Post den Konzern als ein potenzielles Übernahmeziel bezeichnet. Im Zuge der Konsolidierung im Lebensmittelsektor könnten demnach Kraft Heinz oder Coca-Cola zuschlagen. »Jemand wird Danone kaufen«, zitierte das Medium einen Insider. Trotz aller Gerüchte und Spekulationen bleibt der französische Large Cap in einem übergeordneten Seitwärtstrend gefangen. Dabei notiert die Aktie allerdings nur knapp unter dem vor rund einem Jahr markierten Allzeithoch (siehe Grafik 4). Sollte die Übernahmephantasie weiter zunehmen oder tatsächlich ein Bieter auf den Plan treten, könnte die Danone-Aktie das bei 70,53 Euro liegende Top rasch überbieten.

Grafik 4: Wertentwicklung Danone

Unilever kämpft um die Eigenständigkeit
Welch enorme Wirkung eine Offerte auf den Kurs haben kann, zeigt das Beispiel Unilever. Seit dem Annäherungsversuch durch Kraft Heinz verteuerte sich die Aktie des niederländisch-britischen Konzerns um mehr als ein Viertel. Den Hersteller bekannter Markenartikel wie Rexona-Deos oder Knorr-Suppen umgibt nach wie vor ein gehöriges Mass an Übernahmephantasie. Gleichzeitig trat Unilever die Flucht nach vorne an. Erste Erfolge zeigen sich in der Halbjahresbilanz. Aufhorchen lässt der Konzern darin vor allem mit der um 180 Basispunkte auf 17,8 Prozent verbesserten operativen Marge. CEO Paul Polman erhöhte zudem die Prognose. Anstelle der zuvor angepeilten 80 Basispunkte möchte er die Rentabilität in 2017 nun um einen ganzen Prozentpunkt verbessern. »Die Transformation von Unilever in ein robusteres, wettbewerbsfähigeres und profitableres Geschäft nimmt Fahrt auf«, kommentierte der Top-Manager die jüngste Entwicklung. Der Kampf um die Eigenständigkeit geht weiter. Bereits im Herbst möchte Polman Details zum geplanten Verkauf der Margarine- und Aufstriche-Sparte bekannt geben.

Fazit
Dem europäischen Lebensmittelsektor stehen ereignisreiche Wochen und Monate ins Haus. Seien es der Investorentag von Nestlé, die Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal oder neue Vorstösse aktivistischer Investoren respektive Übernahmeofferten: Für die Trader könnte sich so manche Gelegenheit für eine kurzfristige Positionierung – auf der Long- oder Short-Seite – bieten.

Wir haben daher mehrere Hebelprodukte auf die besprochenen Lebensmittelaktien zusammengetragen. Zu den ausgewählten Basiswerten zählt Anheuser-Busch InBev – am Biergiganten führt schon allein wegen des Oktoberfests kaum ein Weg vorbei.

Anlageidee: Zertifikate auf Nahrungsmittelaktien

Warrants

Valor

Basiswert

Typ

Strike

Laufzeit

Handelsplatz

35566252

Nestlé

Call

78,00 CHF

13.12.2017

Swiss DOTS

35800792

Nestlé

Call

80,00 CHF

14.03.2018

Swiss DOTS

36635854

Nestlé

Put

85,00 CHF

13.12.2017

Swiss DOTS

35800798

Nestlé

Put

80,00 CHF

14.03.2018

Swiss DOTS

Unlimited Turbo-Zertifikate

Valor

Basiswert

Typ

Stoppschwelle

Handelsplatz

29868465

Anheuser-Busch InBev

Bull

74,7200 EUR

Swiss DOTS

29868552

Anheuser-Busch InBev

Bull

87,2000 EUR

Swiss DOTS

29868491

Danone

Bull

47,2600 EUR

Swiss DOTS

34324321

Danone

Bear

74,3900 EUR

Swiss DOTS

35884434

Nestlé

Bull

72,5100 CHF

Swiss DOTS

33606755

Nestlé

Bear

92,1100 CHF

Swiss DOTS

36383166

Unilever

Bull

45,2253 EUR

Swiss DOTS

35116607

Unilever

Bear

54,1215 EUR

Swiss DOTS

Faktor-Zertifikate

Valor

Basiswert

Strategie

Faktor

Handelsplatz

34417206

Danone

Long

4

Swiss DOTS

34417275

Danone

Short

–4

Swiss DOTS

33100476

Nestlé

Long

6

SIX Swiss Exchange

33231387

Nestlé

Long

3

SIX Swiss Exchange

33100494

Nestlé

Short

–6

SIX Swiss Exchange

33278444

Nestlé

Short

–3

SIX Swiss Exchange

34417214

Unilever

Long

4

Swiss DOTS

34417283

Unilever

Short

–4

Swiss DOTS

Stand: 29. August 2017; Quelle: Commerzbank

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.