Commerzbank Analysen

»Gestromt« in die Zukunft

Die Automobilindustrie steht am Scheideweg: Während die globalen Klimaschutzmassnahmen in absehbarer Zeit für das Ende des herkömmlichen Verbrennungsmotors sorgen werden, muss die Branche Milliarden investieren, um alternative Antriebe zu entwickeln. Die Pläne der Konzerne sind zwar verschieden, alle aber sehr ehrgeizig. Nicht jedem Autobauer dürfte es gelingen, die Ausgaben alleine zu stemmen, was zu einer Konsolidierung in dem Sektor führen könnte.

Mit einem Paukenschlag endete das Autojahr 2019. Wenige Tage vor Weihnachten gaben Peugeot und Fiat Chrysler ihre bereits seit längerem geplante 50 Milliarden US-Dollar schwere Fusion bekannt. Daraus entsteht der weltweit viertgrösste Autobauer. Ein Grund für diese »Elefantenhochzeit« ist der Kostendruck. Denn während die Automobilindustrie rund um den Erdball einer schwächelnden Nachfrage gegenübersteht, nehmen gleichzeitig die Ausgaben für die künftige Mobilität massiv zu – allen voran für die Entwicklung von Fahrzeugen mit weniger Emissionen.

Spielverderber Kohlendioxid
Die Elektroauto-Revolution ist aber nicht hausgemacht, sondern wird vom Gesetzgeber forciert. Im Kampf gegen den Klimawandel nehmen nämlich die Vorgaben zu. 2020 gilt diesbezüglich als Schlüsseljahr, denn ab nun greifen erstmals die von der EU vorgegebenen CO2-Flottengrenzwerte. Jeder Hersteller, der den Grenzwert von 95 Gramm CO2/km nicht einhält, muss ab 2021 mit Strafzahlungen in Millionenhöhe rechnen. Der jüngst vorgestellte »Green Deal« von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte sogar dafür sorgen, dass die CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Nutzfahrzeuge nachgeschärft werden.

Laut einer jüngsten Studie der Unternehmensberatung PA Consulting werden allerdings nicht alle Hersteller das 95-Gramm-Ziel erreichen. Das gilt der Untersuchung zufolge auch für namhafte Konzerne wie Peugeot, Fiat, Daimler und BMW. Der Trend bei den Autobauern zeigt aber laut den Analysten nach oben. Sie rechnen damit, dass sie den CO2-Ausstoss ihrer Fahrzeuge bis 2021 noch deutlich senken können. Grösster Treiber dieser Entwicklung ist die Elektrifizierung der Modellpalette.

Premiumanbieter geben Gas
Diesbezüglich drückt unter anderem BMW aufs Tempo: 2021 soll der iNext als erstes rein batterieelektrisches Fahrzeug der Münchner auf den Markt kommen. Darüber hinaus steht die Einführung des Geländewagens iX3, gefolgt vom i4, an. Der Plan der Deutschen sieht vor, bis Ende 2021 insgesamt eine Million elektrifizierter Fahrzeuge – darunter fallen auch Plug-in-Hybride – am Markt zu haben. Bis zum Jahr 2023 sollen mehr als 25 elektrifizierte Fahrzeugmodelle mit dem weiss-blauen Emblem über die Strassen rollen.

Damit sich Kunden vom E-Fieber auch infizieren lassen, investiert der Konzern in die Infrastruktur. Mehr als 4.100 Ladepunkte soll der Versorger E.ON für die Münchner in den kommenden zwei Jahren bauen. »Eine gute Ladeinfrastruktur ist neben der Reichweite und wettbewerbsfähigen Kosten eine der elementaren Voraussetzungen für die Akzeptanz und das Wachstum von Elektromobilität«, erklärt BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich.

Auch Daimler arbeitet eifrig am »grünen Traum«. 2020 soll der vor drei Jahren als Konzept vorgestellte Mercedes EQA auf den Markt kommen. Das ist aber nur einer von zehn reinen Elektroautos aus der EQ-Reihe, die Daimler für die kommenden zwei Jahre plant. CEO Ola Källenius möchte mit seinem Programm »Ambition 2039« in knapp zwei Jahrzehnten eine CO2-neutrale Neuwagen-Flotte anbieten. Als Zwischenziel hat sich der Manager vorgenommen, dass in einem Jahrzehnt die Hälfte der Neuwagen mit einem E-Antrieb ausgestattet ist.

Tabelle 1: Auswahl an neuen Elektroautos 2020

Hersteller

Fabrikat

Reichweite

Preis

Peugeot

e-208

340 km

ab 30.450 EUR

Porsche

Taycan

380–460 km

ab 106.000 EUR

Mercedes

EQA

400 km

BMW

Mini Electric

270 km

ab 32.500 EUR

VW

I.D. Neo

330–550 km

ab 30.000 EUR

BMW

iX3

450 km

ab 70.000 EUR

Tesla

Model Y

505 km

ab 60.980 EUR

Audi

Q4 e-tron

450 km

Stand: Januar 2020; Quelle: ADAC, Hersteller

China spielt mit
Daimler ist bei seiner E-Offensive aber nicht alleine, sondern verfügt mit drei chinesischen Autokonzernen über schlagkräftige Partner. Beispielsweise werden mit BYD E-Autos unter der Marke Denza gefertigt. Mit BAIC wiederum, die 5 Prozent der Daimler-Aktien halten, baut das Unternehmen in Peking Mercedes-Modelle. Und mit Grossaktionär Geely, der sich Anfang 2018 knapp ein Zehntel der Anteile sicherte, plant Daimler, den Kleinwagen Smart ab 2022 als reine E-Variante im Reich der Mitte zu fertigen. Die enge Verbindung zu Geely stösst andererseits BAIC sauer auf und der Staatskonzern plant Medienberichten zufolge, seinen Anteil an Daimler zu verdoppeln. Die deutsch-chinesische Zusammenarbeit muss aber nicht so bleiben, einige Experten können sich sogar vorstellen, dass die beiden Erzrivalen BMW und Daimler in Zukunft gemeinsame Sache machen.

Wer auch immer mit wem in Zukunft gemeinsame Sache machen wird, eines steht bereits fest: Der wichtigste Markt ist und bleibt vorerst China, denn nirgendwo auf der Welt werden mehr batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen als in dem Riesenreich. So wurden in der Volksrepublik in den ersten neun Monaten 2019 rund 717.000 E-Autos hergestellt. Die Goldgräberstimmung im Land neigt sich aber dem Ende zu. Mit Milliarden-Subventionen hat die Regierung in Peking den E-Auto-Boom angetrieben. Nun ist damit Schluss: Beispielsweise wurden die Zuschüsse für Fahrzeuge mit Reichweiten von mehr als 400 Kilometern halbiert, Ende dieses Jahres fallen sie dann komplett weg. Das Gleiche gilt ebenso für Autos, die mit Wasserstoff betrieben werden. Apropos Brennstoffzelle: So gut wie ihr Ruf ist Experten zufolge der Wasserstoffantrieb gar nicht. Laut einer Studie des Instituts Agora Verkehrswende sind reine E-Autos klimaverträglicher als alle anderen Antriebsformen. Ihren Berechnungen zufolge erzeugt ein Fahrzeug der Kompaktklasse mit Brennstoffzelle über seinen gesamten Lebenszyklus und mit 150.000 Kilometern Fahrleistung rund drei Viertel mehr Treibhausgase als ein Batterie-Auto.

Grafik 1: Tesla versus Volkswagen (ein Jahr)
Grafik 2: BMW versus Daimler (fünf Jahre)

Umweltbewusste Schweizer
Doch zurück zu den staatlichen Hilfen. Die Auswirkungen der neuen Gesetze in China sind bereits sichtbar. Laut Schätzungen des Center of Automotive Management gingen die Absatzzahlen von E-Autos im vergangenen Jahr im Reich der Mitte zurück. Doch während China zurückrudert, gibt das Autoland Deutschland Gas. So wurde noch Ende 2019 beschlossen, die Umweltprämie für rein elektrische Fahrzeuge mit einem Listenpreis von bis zu 40.000 Euro von 4.000 auf 6.000 Euro zu erhöhen. Auch in der Schweiz gibt es Fördermassnahmen für E-Autos, wenngleich auch deutlich geringere. So sind Elektroautos beispielsweise von der Automobilsteuer befreit. Auch wenn die Subventionen damit spärlicher als bei unserem Nachbarn ausfallen, können sich die Neuzulassungen sehen lassen. Zwischen Januar und Oktober 2019 wurden 9.546 E-Autos zugelassen, das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Zudem ist der Anteil der E-Autos bei den Neuzulassungen mit 3,8 Prozent höher als in Deutschland.

Grafik 3: Absatz von Elektro- und Plug-in-Hybrid-Automobilen in ausgewählten Märkten
Grafik 4: Pkw-Neuzulassungen mit Elektroantrieb in der Schweiz

Einen Rekord in der Schweiz stellte im vergangenen Jahr Tesla auf. Im März 2019 war erstmals in der Geschichte der Neuzulassungen das meistverkaufte Auto eines mit batterieelektrischem Antrieb. Von der Tesla-»Massenmarkt«-Variante Model 3 nahmen in jenem Monat knapp 1.100 neu ihren Betrieb auf. Der E-Auto-Pionier überraschte kurz vor Weihnachten zudem noch mit einer Fahrzeugpremiere: dem »Cybertruck«. Der charismatische Chef Elon Musk präsentierte Ende November in Los Angeles einen E-Pick-up, der schneller beschleunigt als ein Porsche 911. Laut Musk sind bereits 200.000 Vorbestellungen eingegangen. Produziert wird der Cybertruck wahrscheinlich nicht vor 2021.

Elektrifizierung der Sportwagenbranche
Zeit genug also, damit Porsche diese »Schmach« wieder ausbügeln kann. Am Start hat der Sportwagenbauer den hochklassigen Taycan, der dieses Frühjahr mit einem Einstiegspreis von knapp über 100.000 Euro die Eintrittskarte des Herstellers in den E-Mobilitätsmarkt werden soll. Allerdings kämpft Porsche bekanntlich nicht alleine gegen Tesla, sondern hat mit VW einen mächtigen Verbündeten. In den kommenden fünf Jahren plant der weltgrösste Autokonzern, rund 60 Milliarden Euro in klimaschonende Antriebe und die Digitalisierung zu investieren, allein 33 Milliarden Euro davon sollen in die Elektromobilität fliessen. »Wir erhöhen in den folgenden Jahren mit unseren Investitionen noch einmal das Tempo«, zeigt sich Konzernchef Herbert Diess selbstbewusst. Auf Sicht von zehn Jahren möchten die Wolfsburger bis zu 75 reine E-Modelle auf den Markt bringen, dann werden den Plänen zufolge rund um den Globus 26 Millionen E-Mobile aus dem Hause VW kreisen. Den Durchbruch soll dieses Jahr der neue Stromer ID3 bringen, der wegen seines Preises und seiner Reichweite das Massenpublikum anspricht. VW hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: in fünf Jahren Weltmarktführer in der E-Mobilität zu sein.

Diesen Anspruch hat Ferrari-Chef Louis Camilleri nicht, im Gegenteil: Der Manager dämpfte zuletzt die Erwartungen auf einen schnellen E-Ferrari. Laut Camilleri wird es wohl noch bis 2025 dauern, bis ein vollelektrisches Auto der Marke mit dem springenden Pferd im Showroom steht. Noch setzen die Italiener vor allem auf hybridisierte Fahrzeuge. Eines der ersten ist der Anfang 2019 vorgestellte SF90 Stradale. Camilleri geht davon aus, dass bereits im Jahr 2022 etwa 60 Prozent aller verkauften Ferraris Hybridmodelle sein werden.

Fazit
Verbrenner, E-Motor oder Hybrid – die Zukunft der Branche ist ungewiss. Noch verursachen die neuen Technologien immense Kosten, ohne einen Ertrag abzuwerfen. Daher ist Masse gefragt, um die Profitabilität der Hersteller wieder aufzupolieren. Bis dahin könnte es aber noch einige Zeit dauern. Ob alle Konzerne die kommenden kapitalintensiven Jahre alleine überstehen werden, ist dabei fraglich. Der Deal Peugeot/Fiat Chrysler zeigt, dass der Trend auch in Richtung Zusammenschlüsse gehen kann. Die US-Investmentbank Morgan Stanley schätzt beispielsweise, dass von den 42 Automobilherstellern, die sie weltweit analysieren, in zehn Jahren nur fünf bis zehn Spieler übrigbleiben werden. Für genügend Spannung ist also weiterhin gesorgt.

Anlageidee: Ausgewählte Hebelprodukte auf Automobilhersteller

Warrants

Valor

Basiswert

Typ

Strike

Laufzeit

Handelsplatz

50910805

BMW

Call

70,00 EUR

18.09.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

50964645

BMW

Put

80,00 EUR

18.09.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48705643

Daimler

Call

45,00 EUR

19.06.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

48345343

Daimler

Put

52,00 EUR

19.06.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

51402041

Tesla

Call

410,00 USD

18.09.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

51507266

Tesla

Put

400,00 USD

18.09.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

51401976

Volkswagen Vz.

Call

180,00 EUR

18.12.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

51401984

Volkswagen Vz.

Put

170,00 EUR

18.12.2020

Swiss DOTS, BX Swiss

Unlimited Turbo-Zertifikate

Valor

Basiswert

Typ

Stoppschwelle

Handelsplatz

50335025

Ferrari

Bull

133,68 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

50967852

Fiat Chrysler

Bull

9,30 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

48634221

Fiat Chrysler

Bear

14,60 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

48505591

E.ON

Bull

8,01 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

48505597

E.ON

Bear

11,82 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

48547752

BYD

Bull

34,15 HKD

Swiss DOTS, BX Swiss

50242346

Porsche

Bull

58,26 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

48505752

Porsche

Bear

76,72 EUR

Swiss DOTS, BX Swiss

Faktor-Zertifikate

Valor

Basiswert

Strategie

Faktor

Handelsplatz

49593705

BMW

Long

9

Swiss DOTS, BX Swiss

49593743

BMW

Short

–9

Swiss DOTS, BX Swiss

49593539

Daimler

Long

6

Swiss DOTS, BX Swiss

49593616

Daimler

Short

–6

Swiss DOTS, BX Swiss

49589505

Peugeot

Long

4

Swiss DOTS, BX Swiss

49589572

Peugeot

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

45051410

Tesla

Short

–4

Swiss DOTS, BX Swiss

49593752

Volkswagen Vz.

Long

10

Swiss DOTS, BX Swiss

49593721

Volkswagen Vz.

Short

–8

Swiss DOTS, BX Swiss

Stand: 14. Januar 2020; Quelle: Commerzbank AG

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.