Editorial

Warum schmerzen uns Verluste mehr, als uns Gewinne bringen?

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie schon einmal vom Dispositionseffekt gehört? Dabei handelt es sich um die Tendenz, Vermögenswerte, die Gewinne erzielen, zu früh zu verkaufen, und an Vermögenswerten festzuhalten, die im Minus sind, in der Hoffnung, dass sich diese Positionen irgendwann in der Zukunft erholen werden. An dieser Stelle muss auch ich zugeben, dass ich auf diesem Gebiet Erfahrung habe, was mitunter sehr frustrierend sein kann. Ich weiss natürlich, dass es generell sinnvoll ist, Verlustpositionen aufzulösen. Aber wenn man das wirklich macht, hat man den Verlust festgeschrieben und damit jede Hoffnung auf Besserung zerstört.

Aber wie erklären sich die Wissenschaftler, woher dieses weitverbreitete Verhalten kommt? Eine grundlegende Ursache für den Dispositionseffekt liegt in der generellen menschlichen Eigenschaft begründet, Verluste und Gewinne unterschiedlich zu bewerten. Das individuelle Risikoverhalten variiert nach eingeschätzter Sicherheit des Ereignisses, uns schmerzt ein Verlust mehr, als ein Gewinn uns bringt. Das geht so weit, dass greifbare Vorteile nicht wahrgenommen werden, um eine entfernte Chance des Versagens zu vermeiden. Der Verlust hat auf uns eine grössere emotionale Wirkung, weshalb wir für die Verlustvermeidung zum Teil höhere Risiken eingehen und die vermeintlich sicheren kleineren Gewinne eher mitnehmen. Soweit von mir diese kurze Beschreibung von Daniel Kahnemans und Amos Tverskys Prospect Theory.

Und warum ist dieses Verhalten in den heutigen unruhigen Märkten von Bedeutung? Ein Anstieg der Marktvolatilität geht oft mit einem grösseren Angebot an Anlagemöglichkeiten einher. Folglich nehmen in solchen Märkten die potenziell gewinnbringenden Investitionen zu. Doch der höhere emotionale Rückschlag im Falle einer Fehlentscheidung ist möglicherweise einer der Gründe, die uns davon abhalten, überhaupt eine Investition zu tätigen.

Grundsätzlich ist es immer viel einfacher, eine Situation in der Theorie und auf dem Papier zu beurteilen und zu erklären. In der realen Welt sind wir von den Auswirkungen unserer Entscheidungen jedoch direkt betroffen und müssen die Konsequenzen tragen. Natürlich basiert vieles auf menschlichem, auch irrationalem Verhalten, doch ich glaube fest an die Macht und Stärke von Informationen. Deshalb ist es mir auch im Zeitalter der schnelllebigen Nachrichten wichtig, Ihnen regelmässig gut recherchierte und aufbereitete Informationen in unserem ideas-Magazin zur Verfügung zu stellen.

Mit unseren Artikeln wollen wir Sie dabei unterstützen, die richtigen und möglichst erfolgreichen Entscheidungen zu treffen und emotionale Hemmschwellen, wie oben beschrieben, zu überwinden. Werfen Sie deshalb einen Blick in unseren Leitartikel, in dem wir Ihnen die Chancen und mögliche Hindernisse des zweiten Börsenhalbjahres 2022 vorstellen. Und natürlich haben wir eine Vielzahl von weiteren interessanten Beiträgen.

Ich hoffe, Sie werden unser Magazin diesbezüglich wieder aufschlussreich finden, und wünsche Ihnen einen schönen Sommer.

Ihr Dominique Böhler