Zeitgeist

Skateboard: Mehr als ein Brett mit vier RÄDERN

Bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio kämpfen die Skateboarder zum ersten Mal um Gold, Silber und Bronze. Schon lange vor diesem Sprung auf die globale Bühne hatte der Nischensport mit Kultcharakter internationale Superstars hervorgebracht – und sogar eine Brücke zum Kunstmarkt geschlagen.

Am 25. Juli erlebt die Sportwelt eine Premiere: Dann findet im Ariake Urban Sports Park von Tokio der erste olympische Wettkampf im Skateboarding statt. Die Herren treten zur Vorrunde im »Street«-Format an. Bei den zwei Tage zuvor startenden Sommerspielen zählt Skateboard zu den fünf Sportarten, die erstmals auf dem Programm stehen. Auch Baseball/Softball, Karate, Sportklettern und Surfen haben die olympischen Weihen erhalten. Jeder, der sich schon einmal auf dem schmalen Holzbrett mit den auf beiden Enden befestigten kleinen Achsen, im Fachjargon »Trucks«, versucht hat, weiss: Diese Sportart erfordert Körperbeherrschung, Ausdauer und Mut.

Obwohl verschiedene Theorien zur Entstehung des Skateboarding kursieren, gilt die Westküste der USA als die Ursprungsregion. Dort befestigten die Pioniere in den Vierzigerjahren Metallräder auf einem schmalen Holzbrett. Im darauffolgenden Jahrzehnt kamen Räder aus Kunststoff auf. Aus dem damaligen »Roller Surfboard« wurde im Laufe der Zeit das moderne Skateboard. Vor allem bei Jugendlichen gewann der Sport immer mehr an Bedeutung und erhielt in den Achtziger- und Neunzigerjahren einen gewissen Kultstatus. Seither ist das Skateboarding aus der modernen Strassenkultur kaum mehr wegzudenken.

Pionier und Geschäftsmann
Zu den absoluten Topstars zählt Tony Hawk. Mit neun bekam der 1968 geborene Kalifornier sein erstes Skateboard aus Fiberglas in die Hand gedrückt. Als 14-Jähriger startete er eine Profikarriere, um nur zwei Jahre später als der Beste seines Fachs zu gelten. Zwölfmal hintereinander gewann der passenderweise auch »Birdman« genannte Sportler die Weltmeisterschaften. Geschichte schrieb Hawk Mitte 1999, als er an den X-Games in San Francisco den ersten »900« schaffte. Dabei handelt es sich um eine zweieinhalbfache Drehung (900 Grad) um die eigene Körperachse, bei der ein Athlet ohne Sturz wieder in der Halfpipe landet. Bis heute gilt der »900« als der schwierigste Sprung im Skateboarding. Als 48-Jähriger hat der Pionier dieses Kunststück 2016 noch einmal wiederholt.

Tony Hawk ist nicht nur fit geblieben, er hat auch ein wahres Skateboarding-Imperium aufgebaut. Dazu zählen ein Videokanal mit rund 1,7 Millionen Abonnenten, eine Produktionsfirma, eine Organisation zur Unterstützung von Skateparks sowie eine Videospielreihe. Neben dem Charakter des Namensgebers können die Gamer hier weitere Grössen der Szene, beispielsweise Kareem Campbell oder Andrew Reynolds, simulieren. 1992 hat Hawk seine eigene Skateboardmarke lanciert. Während die günstigsten Komplettmodelle der Firma Birdhouse im Fachhandel für knapp 50 Schweizer Franken zu haben sind, reicht die Preisspanne beim Tony-Hawk-Label nach oben bis 129 Schweizer Franken.

Eine spezielle Sammlung
In ganz anderen Sphären bewegen sich Skateboards, die als Sammler- respektive Kunstobjekte gefragt sind. Für Aufsehen sorgte hier Anfang 2019 Sotheby’s. Das britische Auktionshaus bot eine Sammlung von 248 Supreme-Skateboards zum Verkauf an. Vier Jahre nach der Gründung als Skateboard- und Kleidungsshop hatte dieses New Yorker Unternehmen 1998 eine eigene Produktion gestartet. Supreme arbeitete mit Modemarken, beispielsweise Louis Vuitton, sowie namhaften Pop-Art-Künstlern, wie Murakami, Jeff Koons oder KAWS, zusammen. Sotheby’s beschrieb die Serie mit sämtlichen Supreme-Brettern (Decks) als bahnbrechendes Archiv, in dem Streetwear, Luxus, Kunst und Skatekultur zusammenkommen. Diese Einschätzung dürfte Carson Guo teilen. Jedenfalls sicherte sich der damals 17-jährige High-School-Student aus Vancouver die Kollektion zur unteren Taxe von 800.000 US-Dollar. Im Schnitt legte der junge Kunstliebhaber damit mehr als 3.000 US-Dollar je Board auf den Tisch.

Spannende Wettkämpfe an der Olympiade könnten für den Wert dieser besonderen Sammlung förderlich sein. Schliesslich betritt der Nischensport in Tokio die globale Bühne. Mehr als 80 Athleten messen sich auf der vom US-Spezialisten California Skateparks entwickelten Anlage. Im bereits erwähnten »Street«-Wettkampf sorgen Treppen, Geländer, Bordsteine, Bänke und Mauern für eine urbane Kulisse. Beim zweiten Format, »Park«, müssen die Sportler in einer wannenförmigen Bowl schwierige Kurven absolvieren. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Heimmannschaft im Kampf um die Medaillen eine wichtige Rolle spielt. An den Weltmeisterschaften in Rom räumte das japanische Team zuletzt gross ab. Dagegen haben die Schweizer Skateboarder Simon Stricker (Disziplin: Street) und Greg Ruhoff (Park) die Qualifikation für die Olympischen Spiele verpasst.