Zeitgeist

Schoggi: Eine süsse Versuchung

Es ist noch nicht lange her, da wurde vor den Hauseingängen – selbstverständlich im coronabedingten Mindestabstand – »Süsses oder Saures« gerufen. Nun steht mit Heiligabend das nächste verzuckerte Schlemmerfest vor der Tür. Alleine in Europa werden jährlich mehr als 150 Millionen Schokoladen-Weihnachtsmänner zu diesem Anlass produziert.

Auch wenn in Pandemiezeiten vieles etwas anders ist, der Heisshunger nach den zart schmelzenden Leckereien bleibt. Zugegeben, der Lockdown verhagelte zwar auch den Süsswarenherstellern das wichtige Ostergeschäft. Allerdings steht der Industrie mit der Adventszeit nun das zweitwichtigste Grossereignis des Jahres bevor. Darüber hinaus zählt Schoggi bereits seit jeher auch als »Frustfutter« zu den Krisengewinnern.

Bittere Frucht …
Hinter den »süssen« Nikoläusen und festlichen Weihnachtspräsenten aus Schokolade steckt eine kleine, violette und furchtbar bittere Frucht: die Kakaobohne. Nach einer kurzen Behandlung, im Fachjargon Fermentation genannt, setzt die Bohne aber jene Aromastoffe an, die die Herzen der Naschkatzen höherschlagen lassen. Dass Kakao auf der Beliebtheitsskala weltweit nach oben klettert, lässt sich an den Produktionszahlen ablesen. Für das Erntejahr 2019/2020 gibt die International Cocoa Organization (ICCO) eine globale Verarbeitung von Kakaobohnen in Höhe von 4,7 Millionen Tonnen an, ein Anstieg von 27 Prozent innerhalb von zehn Jahren.

… und Schweizer Edelmarken
Während die Hauptanbauregionen mit mehr als 60 Prozent des weltweiten Kakaos die beiden westafrikanischen Nachbarländer Elfenbeinküste und Ghana stellen, befinden sich die Meister der Kakaoveredelung hier in der Schweiz. Frühzeitig hat beispielsweise Lindt & Sprüngli den Wert der braunen Delikatesse erkannt. So reichen die Wurzeln des Schokoladenherstellers bis ins Jahr 1845 zurück. Ein Aushängeschild zu Weihnachten ist der goldene Teddy mit seiner unverwechselbaren roten Schleife am Hals. Aber auch mit feinsten Pralinés, Lindor- und Excellence-Produkten sowie einer »Hello Xmas«-Lifestyle-Kollektion für junge Schokofans ist der Konzern führend bei Premiumschokolade und inzwischen in mehr als 120 Ländern rund um den Globus präsent. Nach einer Umfrage des Schweizer Instituts für Qualitätstests (SIQT) im September 2019 erzielte Lindt hierzulande sogar die höchste Kundenzufriedenheit.

Mit Suchard stammt zudem eine der ältesten und renommiertesten Marken in der Schokoladengeschichte aus der Schweiz. Das gilt auch für die in Bern ansässige Toblerone, die durch ihre dreieckige Form in der ganzen Welt einen hohen Bekanntheitsgrad geniesst. Heute befinden sich beide Unternehmen allerdings in Besitz des US-Süssigkeitenriesens Mondelēz, zu dem obendrein die prominente lila Milka-Schokolade zählt. Der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern Nestlé engagiert sich ebenfalls im Schoggi-Markt und ist mit seinen Marken Nuts, Lion und KitKat unter den meistverkauften Schokoriegeln zu finden.

In Sachen Schoggi ist auch die in Zürich verwurzelte Barry Callebaut eine Nummer für sich. Hinter dem wohlklingenden Namen steckt der weltweit tonangebende Hersteller von hochwertigen Kakao- und Schokoladenprodukten im industriellen Bereich. Das Unternehmen wickelt von der Beschaffung der Kakaobohnen bis zum fertigen Produkt sämtliche Prozesse selbst ab. Das Hauptgeschäft ist die Versorgung der Süssigkeitenindustrie mit dem »braunen Gold«. Barry liefert also den Rohstoff für die Millionen Weihnachtsmänner, Osterhasen, Pralinen oder auch Tafeln und verkauft pro Jahr mehr als 2 Millionen Tonnen der braunen Masse. Wie erfolgreich Barry Callebaut ist, zeigt ein Blick in die Bilanz: Seit dem Geschäftsjahr 2005/2006 haben sich Umsatz und operativer Gewinn (Ebit) verdoppelt. Und das Unternehmen sieht sich weiter auf Wachstumskurs. Zwischen 2019/2020 und 2021/2022 steht eine durchschnittliche Steigerung der Verkaufsmenge um 4 bis 6 Prozent p.a. sowie ein Ebit-Plus über dem Volumenwachstum auf der Agenda.

Auf den Geschmack gekommen
Die Schweizer Verbraucher leisten einen nicht unwesentlichen Beitrag für die hohe Nachfrage nach der Süssware: Der Pro-Kopf-Konsum von Schokolade schwankte hierzulande in den vergangenen Jahren im Schnitt zwischen zehn und zwölf Kilogramm. Damit liegt die Schweiz hinter Deutschland auf Platz 2 der Länder mit dem höchsten Schoggi-Konsum in Europa. Die Alpenrepublik gehört zudem zu den Top 10 der grössten Schokoladenexporteure weltweit. Beinahe drei Viertel der Produktionsmenge der ansässigen Hersteller wird ins Ausland verkauft.

Der globale Erfolg der Schweizer Schoggi-Industrie lässt sich auch an den Aktienkursen ablesen. Die beiden kotierten Unternehmen Lindt & Sprüngli sowie Barry Callebaut konnten ihre Kapitalisierung im vergangenen Jahrzehnt um 180 respektive 160 Prozent erhöhen. Damit entwickelte sich das Duo deutlich stärker als der Gesamtmarkt, der SMIM kam in diesem Zeitraum »nur« um 95 Prozent voran. Daran anknüpfend lässt sich feststellen: Schokolade ist nicht nur etwas für Naschkatzen, sondern auch eine süsse Versuchung für Anleger.