Analysen

Britisches Pfund: Ist die Krise überwunden?

Kurzfristig dürften mit der Öffnung der Wirtschaft die konjunkturelle Erholung, die Inflation und damit eine weniger expansive Geldpolitik dominierende Themen sein, die das britische Pfund moderat unterstützen. Mittelfristig erwarten wir jedoch eine moderate Abwertung des britischen Pfunds zum Euro, da sich Zinserhöhungsspekulationen als zu optimistisch erweisen dürften. Zudem bleibt der Brexit ein Risiko.

Rückkehr zur Normalität
In den vergangenen Wochen konnte sich das britische Pfund insgesamt gut behaupten. Die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus hat sich verlangsamt und mit der Aufhebung nahezu aller Coronabeschränkungen in Grossbritannien kehrt immer mehr Normalität zurück. Das gilt auch für die Wirtschaft. Die Bank of England (BoE) erwartet, dass zum Jahresende das Bruttoinlandsprodukt wieder das Niveau von vor dem Coronaschock erreicht. Doch bleibt weiter unsicher, wie lange sich die aufgrund der Pandemie geänderten Konsum- und Nachfragemuster noch auf die Wirtschaftsaktivität und den Arbeitsmarkt auswirken. Dennoch hat sich die BoE im August etwas falkenhafter gezeigt und in Aussicht gestellt, dass »eine leichte Straffung der Geldpolitik während des Prognosezeitraums [3 Jahre] erforderlich sein dürfte, um das Inflationsziel mittelfristig zu erreichen«, wenn sich die Wirtschaft wie erwartet entwickelt.

Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Britische-Pfund-Bullen, die schon im ersten Halbjahr 2022 die Chancen für eine erste kleine Zinserhöhung von 15 Basispunkten sehen. Derartige Spekulationen dürften in den nächsten Wochen das britische Pfund stützen. Wir glauben allerdings, dass sich die Bank of England mit einer ersten Zinserhöhung noch Zeit lassen wird. Schliesslich bleibt vorerst unsicher, wie es mit der wirtschaftlichen Erholung weitergeht und wie lange die Pandemie noch nachwirkt.

Bank of England vorsichtig optimistisch
Auch die BoE tut sich schwer damit, die längerfristigen Folgen der Pandemie und die adäquate Antwort der Geldpolitik abzuschätzen. Im August hat sie ihren Inflationsausblick deutlich nach oben angepasst. Zum Jahresende dürfte die Inflationsrate auf 4 Prozent steigen, im Laufe des kommenden Jahres jedoch wieder auf das 2-Prozent-Ziel zurückfallen. Damit dürfte die Inflation das Ziel der BoE deutlich länger und heftiger überschiessen als ursprünglich gedacht.

Dennoch ist die BoE auch weiterhin davon überzeugt, dass vor allem vorübergehende Faktoren für die hohe Inflation verantwortlich sind. Im August hat deshalb der geldpolitische Ausschuss mit einer deutlichen Mehrheit von sieben zu eins dafür gestimmt, unverändert am Anleihekaufprogramm festzuhalten.

Die BoE hat für ihre Anleihekäufe ein Volumenziel, das sie voraussichtlich zum Jahresende hin erreichen dürfte. Wir gehen daher nicht davon aus, dass sie eine Reduzierung der Anleihekäufe in den kommenden Monaten noch einmal ernsthaft diskutieren wird, da dies zu einem doch recht abrupten Ende der Anleihekäufe führen würde. Stattdessen liegt der Fokus nun auf den ersten Zinserhöhungen. Am Markt ist bereits eine erste vorsichtige Zinserhöhung von 15 Basispunkten im ersten Halbjahr 2022 eingepreist. Das stützt derzeit das britische Pfund. Doch wir gehen davon aus, dass der Markt das Ausmass der Inflationskorrektur im kommenden Jahr unterschätzt und entsprechend seine Zinserwartungen korrigieren muss.

Unsere UK-Analysten rechnen erst im ersten Quartal 2023 mit einer ersten Zinserhöhung. Und auch die BoE signalisierte im August nur eine vorsichtige Straffung innerhalb ihres Prognosehorizonts von drei Jahren. Das ist eine lange Zeit. Die momentanen Zinserwartungen des Marktes dürften überzogen sein. Ab dem Jahresende 2021, wenn die Spitze in der Inflationsentwicklung absehbar wird, dürfte das britische Pfund daher wieder schwächer tendieren. Das gilt insbesondere gegenüber dem Euro. Da die Inflationskorrektur in den USA noch deutlicher ausfallen dürfte, droht hier auch ein deutlicheres Enttäuschungspotenzial. Der US-Dollar dürfte daher gegenüber dem britischen Pfund abwerten.

Brexit-Risiken lauern im Hintergrund
Mit dem Ausbruch der Coronapandemie geriet das Thema Brexit in den Hintergrund. Die Pandemie hat die britische Wirtschaft schwer getroffen. Wie stark der Brexit die Wirtschaft belastet hat, ist vor diesem Hintergrund schwer auszumachen. Ohnehin dürfte der Brexit eher langfristige Folgen für die britische Wirtschaft haben, sodass der Devisenmarkt seinen Fokus auf die Auswirkungen der Pandemie legt, die momentan zu spüren sind. Insofern hat der Brexit als Belastungsfaktor für das britische Pfund an Bedeutung verloren. Ganz vernachlässigen darf man ihn aber nicht, denn er dürfte immer wieder Schlagzeilen machen. So bleibt die Einhaltung des Nordirland-Protokolls weiterhin Streitthema zwischen der EU und Grossbritannien. Die EU droht mit Strafzöllen, sollte sich Grossbritannien nicht bald an die Abmachungen im Rahmen des Protokolls halten.

Auch bleibt abzuwarten, wenn sich die Effekte der Pandemie legen, ob sich der Brexit nicht doch deutlich negativer auf die britische Wirtschaft auswirkt. An den bisherigen Zahlen zum Aussenhandel ist der Brexit-Effekt schwer ablesbar. Zwar gab es im Januar einen starken Rückgang der Exporte in die EU, der dem Brexit geschuldet sein könnte. Genauso gut könnte aber auch die Pandemie einen Einfluss gehabt haben, denn im Januar befanden sich Grossbritannien und viele EU-Länder im Lockdown. Und seitdem haben sich die Exportzahlen merklich gebessert.

Die Zahlen liefern also noch keine klaren und eindeutigen Erkenntnisse über einen signifikanten Brexit-Effekt. Und auch in den kommenden Monaten könnte der zu erwartende Post-Corona-Boom eine Einschätzung erschweren bzw. mögliche Brexit-Folgen überlagern.

Grafik 1: Britische Exporte – Brexit-Effekt oder Coronaschock?

Warenexporte in die EU und in Nicht-EU-Staaten

Ein weiterer Faktor ist der Bereich Dienstleistungshandel. Denn hierüber wurde zwischen Grossbritannien und der EU noch keine Einigung erzielt. Für Grossbritannien ist dies aber ein wichtiger Aspekt, da der Export von Dienstleistungen eine wichtige Rolle spielt. Ohne eine weitreichende Vereinbarung droht eine Abwanderung von Finanzunternehmen aus Grossbritannien auf das europäische Festland.

Vor diesem Hintergrund ist durchaus möglich, dass sich die Folgen des Brexit stärker bemerkbar machen und das britische Wirtschaftswachstum belasten. Daher gilt es als Investor in britischem Pfund, dieses Risiko im Auge zu behalten.