Commerzbank Analysen

SMI: Globale Virus-Krise löst kräftiges Börsenbeben aus

Die verstärkte Ausbreitung des Coronavirus in Ländern ausserhalb Chinas löste Ende Februar an den Aktienmärkten eine heftige Korrektur aus. Wenig überraschend fand die Euphorie auch am Schweizer Markt ein abruptes Ende. Bis auf Weiteres könnte die Nervosität hoch bleiben.

Den einen oder anderen Investor dürfte in den ersten Wochen 2020 schon ein mulmiges Gefühl befallen haben: Obwohl aus China immer mehr am Coronavirus erkrankte Patienten und Todesfälle gemeldet wurden, setzte sich die Rally an den Aktienmärkten fort. Am 20. Februar erreichte der SMI ein Allzeithoch von 11.270 Punkten. Keine acht Wochen nach dem Start in das Börsenjahr notierte der heimische Leitindex damit mehr als 6 Prozent über dem 2019er-Ultimo. Doch dann versetzten die Bären den Märkten einen kräftigen Schlag mit ihrer Pranke: In der vergangenen Februarwoche brach der SMI um 11,5 Prozent ein – der stärkste Rückgang seit dem Schweizer-Franken-Schock von Anfang 2015 (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Entwicklung SMI (ein Jahr)

Die Rally fand ein abruptes Ende, als sich die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Virus-Krise zerschlugen. Zwar hatte die Atemwegserkrankung in China nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO ihren Höhepunkt bereits Ende Januar überschritten. Doch nun verzeichneten andere Länder einen sprunghaften Anstieg der Infektionen. In Europa war vor allem Italien betroffen: Innerhalb weniger Tage steckten sich dort mehr als 450 Menschen an. Die mit dieser Entwicklung einhergehende Furcht vor einem Konjunktureinbruch löste das skizzierte Börsenbeben aus. Einen Beleg für die neue Nervosität unter den Investoren liefert die implizite Volatilität. Der für die Kursschwankungsbreite der 20 SMI-Mitglieder stehende VSMI hat sich Ende Februar mehr als verdoppelt (siehe Grafik 2).

Grafik 2: Entwicklung VSMI (ein Jahr)

Vorsichtige Grosskonzerne
An den makroökonomischen Indikatoren waren die Folgen der Krankheitswelle zunächst kaum festzumachen. Allerdings lassen unter anderem die von den Unternehmen im Rahmen ihrer Bilanzvorlage getätigten Äusserungen befürchten, dass es dabei nicht bleibt. Beispiel Nestlé: Mitte Februar hat der weltgrösste Lebensmittelkonzern das Ziel, organisch wieder im mittleren einstelligen Bereich zu wachsen, auf 2021/2022 verschoben. Zwar stellte CEO Mark Schneider die Anpassung nicht in einen direkten Zusammenhang mit dem Coronavirus – noch sei es zu früh, die Auswirkungen zu beziffern. »Die Region ›Greater China‹ ist mit rund 8 Prozent des weltweiten Umsatzes unser zweitwichtigster Markt«, hob Schneider jedoch die Bedeutung des Schwellenlands hervor.

Knapp zwei Wochen später meldete sich Adecco zu Wort. Der Personaldienstleister hält durch das Virus ausgelöste Unterbrechungen der Lieferketten für möglich und beobachtet die Situation genau. Gleichzeitig gesellte sich der Konzern zu der eher kleinen Gruppe an SMI-Unternehmen, die mit ihrem Zahlenwerk positiv überraschen konnte. Mit 256 Millionen Schweizer Franken lag der Überschuss von Adecco im vierten Quartal 2019 knapp ein Fünftel über dem Konsens. An dem mithilfe eines Spartenverkaufs für das Gesamtjahr verbuchten Gewinnsprung lässt das Unternehmen die Anteilseigner über einen Aktienrückkauf teilhaben. Bis 2021 sollen eigene Papiere in einem Volumen von 600 Millionen Euro erworben werden. Gleichzeitig schlägt das Management für 2019 eine stabile Dividende von 2,50 Schweizer Franken je Aktie vor.

Eindeutiger Renditevorsprung
Generell können sich die Investoren weiterhin auf die Ausschüttungen der heimischen Grosskonzerne verlassen. Am 28. Februar hat Novartis den Reigen der Generalversammlungen im SMI eröffnet. Dabei segneten die Aktionäre die 23. Dividendenerhöhung nacheinander seit der Gründung des Pharmakonzerns 1996 ab. Auf ein Vierteljahrhundert soll sich nach dem Willen des Verwaltungsrats bei Nestlé die Serie an steigenden Gewinnbeteiligungen verlängern. Derweil steht Roche bereits vor der 33. Erhöhung in Folge. Die Schweizer Unternehmen leisten nicht nur zuverlässige, sondern auch attraktive Ausschüttungen: Momentan bringt es der SMI auf eine Dividendenrendite von knapp 3,5 Prozent (siehe Grafik 3). Auch wenn die Kennzahl damit unter dem langjährigen Mittel liegt, sie bleibt ein zentrales Argument für die Anlageklasse Aktien. Schliesslich fallen die Renditen am Obligationenmarkt notorisch mager oder sogar negativ aus.

Grafik 3: Dividendenrendite SMI (Trailing zwölf Monate)

Apropos Zinsen: Für die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten dürften die Notenbanken eine wichtige Rolle spielen. An den Geldmärkten gilt es als eine ausgemachte Sache, dass die Europäische Zentralbank ihren Schlüsselsatz in den kommenden Monaten weiter zurückfährt. Obwohl die Federal Reserve ihre Zinspause gerade bestätigt hat, ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Lockerung auch in den USA gestiegen. Am 19. März kommt die Schweizerische Nationalbank zur ersten geldpolitischen Lagebeurteilung 2020 zusammen. Man darf gespannt sein, ob und gegebenenfalls wie die SNB auf das derzeitige Umfeld reagiert. Schliesslich macht der Schweizer Franken seinem Ruf als Safe-Haven-Währung einmal mehr alle Ehre. In Relation zum Euro kletterte die heimische Valuta auf das höchste Niveau seit Juli 2015 (siehe Grafik 4). Steigende Sichtguthaben der Banken sprechen dafür, dass sich die SNB gegen die Franken-Rally stemmt. Die Bereitschaft zur Intervention am Devisenmarkt zählt zu den Kernelementen ihrer Geldpolitik – daran dürfte sich in derart nervösen Zeiten kaum etwas ändern.

Grafik 4: Wechselkurs Schweizer Franken/Euro (fünf Jahre)